Warnung vor dem Buch

BREMEN-COMIC Der Carl Schünemann Verlag war in den 60ern Pionier der neunten Kunst: Wie Comics aussehen sollten, hat man dort aber mittlerweile vergessen

Weiß man’s noch? Dass sie, lang, lang ist’s her, in Deutschland Pioniere der Gattung waren? Wohl nicht. In der Eigendarstellung des Carl Ed. Schünemann-Verlags fehlt jeder Hinweis darauf, und nicht einmal jetzt, wo sie den ersten Comic seit über 40 Jahren herausbringen, fällt’s ihnen ein. Obwohl: Das kann auch andere Gründe haben.

Zum Beispiel, dass man die Bürde der Tradition und die damit einhergehenden Qualitätsansprüche lieber beiseite schiebt. Beispielsweise, weil man einen schnellen Euro im Weihnachtsgeschäft wittert. Das ist der einzige Anlass, der plausibel erklären könnte, warum sich das Familienunternehmen entschieden hat, Oliver Schoons „Chaos in der Hanse – Die Wahrheit über die Bremer Stadtmusikanten“ ins Sortiment aufzunehmen. Zu dem selbst für ein Hardcover inklusive Trickfilm-DVD außerordentlich stattlichen Preis von 16,90 Euro. Zum Vergleich: Dafür bekommt man bei Carlsen anderthalb Graphic-Novels der Spitzenklasse. Oder bei Ebay den ersten Band von „Barbarella“.

„Barbarella“, so hieß, 1966, der Comic, den Schünemann zuerst in einer deutschen Ausgabe vorlegte. Das war ein erhebliches Risiko. In Frankreich hatte das Werk einen Skandal ausgelöst: Die Bande Dessinée richtete sich an Erwachsene, die Titelfigur sah Brigitte Bardot ziemlich ähnlich. Pornografie hatte der Vorwurf geheißen. Die Zensurbehörde hatte eingegriffen – und im Zuge des juristischen Verfahrens setzte sich die Anerkennung als „neunte Kunst“ durch. Natürlich hatte das die Popularität gesteigert, und vielleicht ahnte Schünemann senior auch, dass Barbarella im folgenden Jahr mit Jane Fonda in der Hauptrolle verfilmt werden würde. Aber Deutschland war um einige Grade prüder als Frankreich. Und der Comic hier längst kein so marktgängiges Produkt. Insbesondere keins für Menschen über 16 Jahren. Den Band zu edieren war seinerzeit eine verlegerische Großtat.

Davon kann, 40 Jahre später, nicht die Rede sein. Schoon hat mit einem ordentlich gezeichneten Trickfilm in Mannheim sein Grafik-Diplom gewonnen. Diesen übersetzt er nun ohne allzu große Sorgfalt zurück in die Papierform. Die Folge sind typische Unschärfen, die nur in Ausnahmefällen apart wirken, ergänzt mit einem langweiligen Maschinenlettering in Großbuchstaben. Eine echte Zumutung schon im Film ist die Story: Drei Außerirdische rollen in einem Fass auf nicht nachvollziehbarem Weg vom Schnoor über die Sögestraße in den Bleikeller und von dort zum Dom. Einziger Antrieb ist der Uraltkalauer, dass Hamburg das Tor zur Welt, Bremen aber den Schlüssel dazu habe. Nein, die größte Überraschung ist wirklich – was bei Schünemann, dem Ex-Pionier, heute als publikationsreifer Comic gilt. BES