Die zwei nach Fischer

Renate Künast und Fritz Kuhn sollen die Grünen nach dem Abgang des Übervaters prägen

VON LUKAS WALLRAFF
UND ULRIKE WINKELMANN

Die Bundestagsfraktion der Grünen hat Renate Künast und Fritz Kuhn zu neuen Vorsitzenden gewählt. Die Noch-Verbraucherministerin setzte sich in einem zweiten Wahlgang gegen den Noch-Umweltminister Jürgen Trittin durch. Im ersten Wahlgang hatten noch beide mit je 18 Stimmen gleichauf gelegen.

Der Ex-Parteichef Kuhn erhielt gleich in einer ersten Wahlrunde die Mehrheit der Stimmen und setzte sich so gegen die bisherige Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt durch.

„Unser Ziel muss die Meinungsführerschaft in der Opposition sein“, erklärte Künast nach ihrer Wahl. „Wir müssen die richtigen Fragen stellen“ – und „die Antworten geben“. Das „K. u. K.“-Duo wurde seit Tagen als Favoriten-Paar gehandelt. 2000 bis 2001 hatten die zwei als Parteichefs gut harmoniert. Trittin erklärte zu seiner Niederlage: „Ich muss nicht mehr Karriere machen.“ Nachdem Künast gewählt wurde, sei er nicht mehr gegen Kuhn und Göring-Eckardt angetreten, weil der Fraktion nicht zwei Ex-Minister als Oppositionsführer zuzumuten seien.

Die Fraktionslinken werteten die 18 Stimmen für ihren Kandidaten Trittin als Erfolg. Christian Ströbele sprach gegenüber der taz von einem „sehr respektablen Ergebnis“. Winfried Hermann jauchzte: „So viele Stimmen hatten wir lange nicht mehr“. Fritz Kuhn sei nach Trittins Rückzieher mit den Stimmen der Linken gewählt worden, „weil er in allen Debatten der letzten Jahre das eindeutig sozialere Profil hatte“ als Göring-Eckardt, sagte Hermann zur taz.

Auch Markus Kurth betonte, dass Kuhn den Linken einen „integrativen Kurs“ angeboten habe und deshalb auch von ihnen gewählt worden sei. Peter Hettlich, bisheriger Sprecher der Arbeitsgruppe Ost, erklärte der taz, er habe die Thüringerin Göring-Eckardt nicht gewählt: „Es ist keine Frage der Herkunft, ob Ost-Themen vertreten werden.“ Kuhn sei „eher in der Lage, linke Positionen zu integrieren“.

Neben aller Anerkennung soll Trittin nach grünen Willen nun noch eine weitere Ehre zukommen. Künast legte ihr Ministerinnen-Amt nach der Fraktionssitzung nieder. Sofort danach schlug die Grünenspitze Bundeskanzler Gerhard Schröder vor, Trittin bis zu einer neuen Regierungsbildung auch Künasts Ministerium zu geben.

Eine der ursprünglich fünf Kandidatinnen und Kandidaten für den Fraktionsvorsitz kniff gestern bereits vor der Wahl: Krista Sager, die seit 2002 im Gespann mit Göring-Eckardt den Posten innegehabt hat. Sie hatte gemeinsam mit den vier anderen eilig ihren Hut in den Ring geworfen, nachdem der Grünen-Übervater Joschka Fischer die Fraktion am Dienstag vergangener Woche mit der Ankündigung überrascht hatte, er wolle seine politische Karriere beenden.

Zu ihrem Rückzug erklärte die 52-Jährige gestern: „Ich gehe davon aus, dass sich die Fraktion im Moment am meisten Sorgen macht, wie wir als kleinste Oppositionskraft noch genügend öffentliche Aufmerksamkeit bekommen. Und das ist möglicherweise mit einer Neuaufstellung an der Spitze erst einmal der Versuch, das abzusichern.“

Die Kurzfassung aus ihrem Umfeld lautete: „Es werden jetzt Angriffsspieler und Wadenbeißer gebraucht.“ Sager könne ihre große Stärke – das Zusammenhalten der Fraktion – auch als Vizefraktionschefin ausspielen. Die Fraktions-Vizes werden erst in einigen Wochen aufgestellt, wenn auch die Arbeitskreise sich sortiert haben. Christian Ströbele zum Beispiel hielt gestern offen, ob er noch einmal ein Vize-Amt haben wolle.

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen wurde gestern gewählt. Hier konnte der Noch-Staatssekretär im Künast-Ministerium Matthias Berninger nicht den bereits amtierenden Volker Beck verdrängen. Berninger hatte darauf gesetzt, dass die Grünen gegen die FDP ihren Status als „jüngste“ Fraktion zu verteidigen haben. Weder Göring-Eckardt, 39, noch ihn, 34, zu berücksichtigen, laufe unter „Jugenddiskriminierung“. Doch erkannte auch er an, dass Volker Beck das Klüngelgeschäft des Palamentarischen Geschäftsführers beherrsche.

Die ursprünglich für gestern angesetzte Wahl der grünen Bundestags-Vizepräsidentin wurde vertagt.