CDU will Fall „Jule“ aufklären

ROLLEN-KONFLIKT Nachdem eine Pflegefamilie drei Jahre mit dem Jugendamt um ein Kind kämpfte, fordert die CDU die Aufarbeitung durch die Innenrevision

Laut dem Senat gab es Hinweise auf „über- zogene medizinische Betreuung“ der Kinder

Der CDU-Jugendpolitiker Christoph de Vries wirft Mitte-Bezirkschef Andy Grothe (SPD) eine Täuschung der Öffentlichkeit vor. Dieser habe, nachdem das Hamburger Abendblatt Ende Oktober über den Streit um ein Pflegekindberichtete, öffentlich eine lückenlose Aufklärung des Falls angekündigt. Dabei habe Grothe verschwiegen, dass er bis zu seinem Amtsantritt über mehrere Jahre der Anwalt der Familie war. „Er hat so getan, als ob ihm der Fall völlig neu wäre“, sagt de Vries.

Der Fall der elfjährigen „Jule“, wie das Abendblatt das Kind taufte, sei komplex. „Auch ich bin nicht in der Lage, durch alles durchzusteigen“, räumte de Vries ein. Wie aus der Senatsantwort auf seine Anfrage hervorgeht, gab es von 2009 bis 2012 einen dreijährigen Streit, unter welchen Bedingungen das Kind in der Pflegefamilie bleiben darf. Auslöser war, dass 2008 zwei ältere Pflegekinder, „Tim“ und „Eva“, sich der Familie entzogen und in staatliche Obhut begaben. Es habe Hinweise auf eine „überzogene medizinische Betreuung“ der Kinder gegeben, so der Senat.

Deswegen beantragte das Jugendamt-Mitte im August 2009 die Vormundschaft für Jule, was das Gericht gewährte, ab 2010 allerdings auf den Bereich „Gesundheitssorge“ begrenzte. Daraus entstand ein neuer Konflikt vor Gericht, als der eingesetzte Gesundheitspfleger den Eltern nicht erlaubte, dem Kind ein von Fachärzten verschriebenes Medikament zu verabreichen.

Zu einer Zuspitzung kam es im September 2011, als das ehemalige Pflegekind Eva Strafanzeige gegen die Pflegeeltern wegen Misshandlung stellte. Das Jugendamt beantragte daraufhin bei Gericht, Jule auf Anzeichen von Misshandlung zu untersuchen. Nachdem nun ein Gutachter dies verneinte und erklärte, das Kind müsse in der Familie bleiben, „jedes andere Handeln würde eine Gefährdung des Kindeswohls bedeuten“, berichteten die Eltern ihre Sicht der Dinge über den jahrelangen Kampf im Abendblatt.

De Vries traf sich auch mit anderen Pflegeeltern und kommt zu dem Fazit, die Jugendämter als Institution würden diese zu wenig unterstützen und damit „kindeswohlgefährdend“ wirken. Der Senat stelle den Fall Jule in seiner Antwort teilweise verkürzt oder falsch dar. Die CDU beantrage deshalb, dass die Innenrevision der Finanzbehörde die Sache untersucht.

Bezirkschef Grothe wirft de Vries nun vor, er sei befangen, weil er als Anwalt die Eltern vertrat. De Vries äußerte sogar den „Verdacht“, Grothe habe seine Mandanten mit Rücksicht auf SPD-Kontakte im Bezirk-Mitte „nicht angemessen vertreten“. Grothe wies die Vorwürfe zurück. Er habe sehr wohl auch gegenüber Journalisten erwähnt, dass er Anwalt der Familie war. Mit Rücksicht auf die anwaltliche Verschwiegenheit habe er dies aber „mit der gebotenen Zurückhaltung kommuniziert“. Die Aufarbeitung des Falles habe der Leiter des Jugendamtes federführend wahrgenommen.  KAJ