LeserInnenbriefe
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Ein am Tropf hängendes Land

betr.: „Die kritiklose Begeisterung ist vorbei“, taz vom 27. 3. 17

Dass die alte und neue saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer Finanzminister Wolfgang Schäuble „Hunderte Millionen Euro aus dem Kreuz geleiert“ hat, wie Anja Maier meint, dürfte wohl ihre einzige Leistung der letzten Jahre bleiben. Sie wird diese 500 Millionen Euro pro Jahr (ab 2020) auch dringend brauchen, um all die Schulden abzustottern, für die sie in diversen Funktionen verantwortlich oder mitverantwortlich war und ist: Meeresfischzuchtanlage in Völklingen, Mords-Dino-Show Gondwana, Vierter Pavillon des Saarlandmuseums, HTW-Bau ohne Feuerschutz.

Es werden höchstwahrscheinlich hinzukommen die Kosten für den völlig überteuerten und dilettantisch geplanten Umbau des Ludwigparkstadions in Saarbrücken und das irrsinnige Projekt „Stadtmitte am Fluss“, das wieder aus der Schublade gezogen wurde/wird. Es wäre für ein am Tropf hängendes Land eine wirkliche Leistung gewesen, alle diese Vorhaben verhindert oder zumindest vernünftig gesteuert zu haben. In einer großen Koalition lässt sich das allerdings weiterhin bestens unter den Teppich kehren. Glück auf also! GÉRARD CARAU, Beckingen

In Demut schweigen

betr.: „Willkommen im Nörgelland“, taz vom 25./26. 3. 17

Ich bin auch eine von denen, die den Urlaub der „Anderen“ auf Staatskosten in der Elternzeit verurteilen und genau aus dem Grund, den Sie erst im letzten Absatz erwähnen. Es ist ein Teil der privilegierten globalen Obere-Mittelschicht-Kultur geworden: man verreist. Wer aber Geld vom Staat bekommt, sollte lieber den Ball flach halten und in Demut schweigen. Es ist keine Moral, sondern Höflichkeit denen gegenüber, die nicht so privilegiert sind. Es gibt hierzulande mehr Familien, die das Geld im Alltag brauchen und die meist nicht die volle Summe bekommen. Nur leider haben diese keine Stimme und auch nichts zu erzählen, als dass das Baby mal wieder im M 41 gewickelt werden musste und einen der Bus kollektiv in 10 Sprachen gehasst hat. Wer will das schon wissen?! ALEXANDRA BEESE, Berlin

Ein Problem der Verteilung

betr.: „Brot für die Welt“, taz vom 25./26. 3. 17

Vielen Dank für den vorgeschlagenen Geschmackstest. Längst gemacht. Für Vegetarier und Veganer: Wasserlinsen können, richtig zubereitet, wie nahezu jede ungiftige Pflanze lecker schmecken. Allerdings zeigt das beigefügte Foto keine Wolffia arrhiza. Diese Wasserlinse ist – wie der Name arrhiza sagt – wurzellos. Es handelt sich vielmehr um Spirodela polyrhiza, die Vielwurzelige Wasserlinse, die weltweit verbreitet ist, während Wolffia in Frostgebieten nicht vorkommt. Diese interessanten Wasserlinsengewächse (Lemnoideae) bilden eine Unterfamilie innerhalb der Familie der Aronstabgewächse (Araceae).

Leider werden auch die schnellwachsenden anspruchslosen Wasserlinsengewächse das Ernährungsproblem der Erde nicht lösen. Denn dieses ist kein Problem des Mangels, sondern der Verteilung. Es ist genug zu essen für alle Menschen vorhanden, es ist nur ungleich verteilt. GERHARD OTT, Flensburg

Container und Wohnmodule

betr.: „3,5 Quadratmeter Deutschland pro Person“, taz vom 23. 3. 17

Im Jahr 2015 kamen eine knappe Million Asylbewerber, schrei­ben Sie und fragen: „Mit welchen baulichen Mitteln ist die Herausforderung zu meistern?“ Eine Herausforderung für die Architekten, diese Million Flüchtlinge auf 3,5 Millionen Quadratmetern unterzubringen! Zum Vergleich: Nach 1990 kamen 1 Million Ostdeutsche nach Westdeutschland. Aber die unterzubringen war keine „Herausforderung“. Der freie Wohnungsmarkt schluckte sie auf; schließlich verfügte er durchschnittlich über 45 Quadratmeter Wohnraum pro Einwohner damals.

Heute verfügt der Wohnungsmarkt über 46 Quadratmeter. Die sind aber nicht für Flüchtlinge. 3,5 Quadratmeter werden ihnen zur Verfügung gestellt: Container, Turnhallen, neu geschaffene „Wohnmodule“ oder (wie in Stuttgart) „Systembauten“. Ich sehe die „Herausforderung“ woanders: In unserer „Willkommenskultur“, in unserer Bereitschaft, von den durchschnittlich 46 Quadratmetern Wohnraum einen winzigen Teil den Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen, so wie damals den Zuwanderern aus Ostdeutschland. Aber da versagen wir völlig. Das können auch kreative Architekten mit 3,5 Quadratmetern in schnuckeligen „Wohnmodulen“ nicht wettmachen.

Eine „Architektur der Zuflucht“ kommt erst dann zum Zuge, wenn die Flüchtlinge durch rassistische Schikanen von der übrigen Bevölkerung ausgegrenzt werden. INGO SPEIDEL, Stuttgart

Witzig? Eher nicht

betr.: „Schluss mit dem Empowermentneid: Alman-Magie“, taz vom 24. 3. 17

„Junk In The Trunk“ hat mich sehr belustigt, der Rest weniger. Die Funktion dieser Glosse (Satire?) erschließt sich mir nicht. Wen hatte die Autorin im Sinn, als sie fragte: „Ist euch das schon mal aufgefallen?“ Die Mehrheit der taz-Leserschaft dürfte biologisch-ethnisch der weißen Bevölkerung angehören. Heißt das, taz lesen macht immun gegen die in epischer Breite aufgelisteten Kartoffel-Eigenschaften? Seltsamer Ansatz, der eine selbstkritische Haltung nur bedingt fördert. Wobei es gar nicht darum geht, die Aussagen inhaltlich zu bewerten. Witzig? Eher nicht. Menschenfreundlich? No way. HELMUT MAURER, Heidelberg