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Mensch 2.0 – Die Evolution in unserer Hand Deutschland 2012, R: Alexander Klue, Basil Gelpke

Dieser Film ist eine seltsame Mischform. Nicht nur weil er im für Alexander Kluge typischen Stil Gespräche mit Reportagen, fiktive Spielszenen mit Zwischentexten, Performances mit Meditationen mischt, sondern auch, weil er die für das Kino neu konzipierte Fassung einer größeren DVD-Produktion von Kluge und Basil Gelbke ist. Im Raum stehen die großen Fragen des 21. Jahrhunderts nach der Zukunft der Menschen: Wie werden die neuen Technologien dessen Wesen verändern? Wird es in absehbarer Zeit künstliche Intelligenz geben? Wie wird die Medizin der Zukunft aussehen? Wird der Mensch immer mehr zur Maschine oder die Maschine immer menschlicher? Und was ist Bewusstsein?

Zum Teil berichten prominente Geistesgrößen in Alexander Kluges Lieblingseinstellung am Tisch mit frontaler Sicht auf den Gesprächspartner und dem fragenden Kluge unsichtbar neben der Kamera von ihren Erkenntnissen oder philosophischen Spekulationen. So fragt H.M. Enzensberger, ob fünf Sinne wirklich für den Menschen genug sind, Anselm Käfer erklärt eines seiner Werke, auf dem er einen Zweig auf dem Bild eines Sternenhaufens abbildet und Goethes Homunkulus wird als „postfaustisches Wesen“ interpretiert.

Der Co-Regisseur Basil Gelpke hat dagegen in Japan, den USA und Großbritannien kleine Reportagen über die Arbeiten von Kybernetikern, Biotechnologen, Neurologen und Altersforschern gedreht, in denen etwa deutlich wird, wie menschlich Roboter inzwischen reagieren können, in welchem Maße die Körper von Menschen mittlerweile schon durch Maschinen optimiert werden können oder dass Menschen in der nahen Zukunft schon ein sehr hohes Alter erreichen dürften.

Zwischendurch lässt Kluge seine Lieblingsdarsteller auftreten. So balanciert Helge Schneider rohe Eier über ein Schlachtfeld und, Hannelore Hoger klopft Staub aus einem Buch. Als auflockernde Intermezzi haben diese Kurzauftritte durchaus ihre dramaturgische Funktion, auch wenn ihr Erkenntniswert eher gering ist. Dafür ist die Informationsdichte der meisten anderen Sequenzen nur umso dichter, und es fällt wohl nicht nur den Mitgliedern der Jury schwer, all dem mit der gleichen Konzentration zu folgen. Doch jeder Zuschauer kann sich ja ganz individuell bei dieser immensen Fundgrube an Forschungsergebnissen, Theorien, Kunstwerken, neuster Technologien und Roboterträumen bedienen, und die freie Form lädt zum neugierigen Sehen ein. Das Labyrinth ist nicht umsonst die letzte gedeutete Metapher des Films, der ein sehr zerebrales Kinovergnügen bietet. Auch da an solchem in diesen Zeiten ganz sicher kein Überangebot besteht, ist dies ein lehrreicher und wichtiger Film in klassischer Tradition Kluges, der zur Diskussion anregen will.

„Mensch 2.0 – Die Evolution in unserer Hand“ läuft Sa, So um 18 Uhr, Mo um 17.30 Uhr und Di um 20.15 Uhr im Kino im Künstlerhaus in Hannover