LeserInnenbriefe
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Nobel Chuck

betr.: „Roll Over Angela“ und „Godfather des Rock ’ n’ Roll“, taz vom 20. 3. 17

Eine klasse Titelseite und eine tolle Hommage an den „Brown Eyed Handsome Man“! Dank auch an Julian Weber für seine Würdigung dieses großen Rock ’n’Rollers, der mich seit über 40 Jahren nicht nur mit seinen fantastischen Songs, seinen mit Witz und Charme erzählten Alltagsgeschichten und seinem rasanten Gitarrenspiel begeistert. Chuck Berry schilderte auch ein chromblitzendes, neonilluminiertes Traumland namens Amerika – hier: USA – mit seinen Diners, Drive-ins, Tankstellen, Jukeboxes, Motels, Wolkenkratzern, Cheeseburgern und Highschool Hops – voller Rock ’n’Roll, schneller Autos und hübscher Mädchen! Ein Amerika, ähnlich dem, das Edward Hopper malte – nur fröhlicher und optimistischer. Elvis mag von den Fans zum King erkoren worden sein, aber Chuck Berry war der Poet des Rock ’n’Roll – und eigentlich hätte er den Nobelpreis für Literatur noch vor Bob Dylan verdient. VOLKER SCHEUNERT, Hamburg

Der andere Martin

betr.: „Versöhnung nach 500 Jahren“, taz vom 13. 3. 17

Was steht uns noch alles bis zum großen „Martin-Luther-Reformations-Sonderfeiertag“ bevor? Gerade mussten wir (selbstverständlich kam die Erkenntnis für alle vollkommen unerwartet!) schmerzhaft erfahren, dass Martin Luther ein glühender Antisemit war. Werden wir in den nächsten Monaten herausfinden, dass er auch nicht besonders gut auf behinderte Menschen zu sprechen war? Er beschrieb sie in seiner allseits beliebten und kernig humorvollen Ausdrucksweise als „Fleischmasse“ ohne Seele. Wird uns im Lauf des Jahres vielleicht noch bewusst werden, dass Luther der armen und hart arbeitenden Bevölkerung ausgiebig predigte, dass sie der weltlichen Obrigkeit umfassend Gehorsam (und Steuern!) schuldig sei und sich mit ihrem arbeitsreichen Leben gottgefällig abzufinden habe?

Wie werden wir reagieren, wenn der Deutschen Presseagentur im Sommerloch auffällt, dass Martin Luther für Hexen die Todesstrafe bei Schadenszauberei forderte? Und wird uns am Ende des Jahres im schlimmsten Fall wohl noch bewusst werden, dass Martin Luther niemals Protestant (und schon gar nicht evangelisch) war, sondern gläubiger Katholik, der bis zu seinem Tod den Teufel und die Hölle mehr fürchtete als den Ablass?

Aber alles wird gut! In mehreren Schriften wetterte Luther vehement gegen die Türken. Damit war er definitiv seiner Zeit voraus. HEIKE MITTELSTAEDT, Hemsbach

Verkappte Industriesubvention

betr.: „Tausenden Windrädern in Deutschland droht das Aus“, taz vom 20. 3. 17

Den Windmüllern, die mit viel persönlichem Risiko vor mehr als 20 Jahren den Einstieg in die Stromerzeugung wagten (gegen den massiven Widerstand der Energieversorger), eine komfortable Zeit der fixen Vergütung vorzuwerfen, ist schon gemein. Die konventionellen Energieversorger erhalten seit Jahrzehnten Festpreise, die regelmäßig mit der Politik erfolgreich verhandelt werden. Hinzu kommen Baukostenzuschüsse (ein Relikt aus den 1930er Jahren) und überhöhte Netzentgelte. Die angeblich schlechten Zahlen von EON, RWE und Co. resultieren weniger daher, dass diese Unternehmen schlecht wirtschaften, vielmehr drücken sie mit Abschreibungen ihrer vermeintlich nicht mehr wirtschaftlichen Altkraftwerke ihre Steuerlast auf „null“, um so das Geld anzusparen für die Übernahme der Erneuerbaren!

Großhandelspreise von 3 Cent pro Kilowattstunde Strom sind kein realistischer Preis, sondern eine verkappte Industriesubvention; der private Verbraucher subventioniert dies mit Milliarden, indem er 30 Cent bezahlt.

Wenn ein 20 Jahre altes Windrad heute 6,1 Cent je Kilowattstunde erhält, ist das die günstigste Möglichkeit, umweltfreundlichen Strom zu erzeugen – und wenn es noch einmal 6,1 Cent dazugibt, lassen sich auch zu den alten Anlagen effiziente Speicher bauen, damit rund um die Uhr der Strom zur Verfügung steht.

MANFRED LÜHRS, Süderdeich