LeserInnenbriefe
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Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Auslöschung Israels

betr.: „Nazivergleiche verbieten sich“, taz vom 16. 3. 17

Der Kommentar zu der gegen Israel gerichteten Kampagne Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen (BDS) war voller Auslassungen. Zum Beispiel wurde nicht erwähnt, wer BDS eigentlich ist, wie die Kampagne finanziert wird und wie die Organisation aufgebaut ist. Transparenz ist doch eigentlich eines der Hauptanliegen der taz.

Auch wurde verschwiegen, dass die BDS das „Rückkehrrecht aller Palästinenser“ fordert, was in der Tat die Auslöschung des jüdischen Staates Israel bedeutet. Das ist antisemitisch.

Warum wurde nicht erwähnt, dass es aktuell keine vergleichbare Kampagne zum Iran, zu Saudi-Arabien, Kolumbien oder anderen Ländern gibt. BDS darf nicht verteidigt, sondern muss boykottiert werden. STEFAN WIRTH, Hamburg

Durchsetzung von Teilhabe

betr.: „Israel als Schoß des Bösen“, taz vom 17. 3. 17

Was Herr Hillenbrand in seinen Ausführungen nicht berücksichtigt ist die Tatsache, dass Juden in Israel die Mehrheit stellen – und eben nicht eine Minderheit sind wie in seinen ständigen Vergleichen mit der Zeit des Nationalsozialismus. Dies hatte bereits Daniel Bax richtig festgestellt.

Für alle weiteren seiner Ausführungen ist das der zentrale Punkt, da heute die Israelis die Bedingungen der Palästinenser bestimmen und damit ihre Lebensumstände erschweren (Zugang zu Wasser, Elektrizität etc.).

Die fehlende Empathie, die Herr Hillenbrand der Bewegung BDS vorwirft, ist vor allem eine der jetzigen Regierung aus Nationalisten und jüdischen Ultraorthodoxen, die unerträglich ist.

Aus diesem Grund erübrigt sich auch jegliche Gleichsetzung des Israelboykotts mit Antisemitismus. Vielmehr geht es hier um die Durchsetzung von Gleichberechtigung und Teilhabe der Palästinenser an der israelischen, nicht jüdischen (!) Gesellschaft.

LOTHAR TATZIK, Dortmund
Für mehr Staunen beim Sex

betr.: „Fälle von Menschenersatznähe“, taz vom 11./12. 3. 17

Sexualität ist eines der faszinierendsten menschlichen Phänomene. Woher kommt, wie und aus welcher Situation heraus ein Mensch sexuelle Erregung spürt, mit welcher Kraft und welcher Gerichtetheit er dieser nachgeht, welche Bedeutung er ihr zumessen wird, im Persönlichen, im Gesellschaftlichen, im Spirituellen, wie sie sich im Lebenslauf gestaltet, wie sie sich in der flüchtigen Begegnung oder der längeren Beziehung verändert, das sind Fragen, die ich an mich und andere stellen kann.

Angesichts der Vielfältigkeit des Sexuellen, das auf einer sehr grundlegenden Ebene unser Menschsein prägt, ist Empathie nicht die schlechteste Wahl, wenn ich über Sexualität von anderen diskutieren will.

Was von Ihrer Autorin Katrin Rönicke als These formuliert wird, erfährt wenig Begründung im Text, mehr noch, ihren Aufruf, wir als moderne Menschen sollten offen, empathisch und wissenschaftlich begleitet über männliche Sexualität sprechen, nimmt sie wohl selbst nicht so ernst. Wenn Empathie meint, mein Gegenüber zu hören, zu spüren, zu verstehen, dann lässt mich der Text ratlos zurück. Wir sollen laut sagen: „Sorry Jungs, das ist mir suspekt.“ „Nur eine weitere logische Evolutionsstufe der verkorksten männlichen Sexualität“; „verquere Sicht auf Sex“ schreiben Sie.

Es gibt im Text Begriffe wie „frauenverachtende Scheiße“ und Folgen, die „Kacke“ sind, was meinen Wissenschaftsbegriff auf die Probe stellt. Meine Ansprüche an Offenheit muss ich ebenfalls überdenken: „Bedürfnisse und Fantasien von Frauen sind schwierig und machen die Sache kompliziert.“ „Die männliche Sexualität scheint labiler, anfälliger zu sein.“ Worin Labilität und Anfälligkeit männlicher Sexualität bestehen, beschreibt Frau Rönicke (vielleicht zum Glück) nicht.

Abgesehen davon bildet der Text ein Sammelsurium von Meinungen, Betroffenheit und Wertung zu verschiedenen Befindlichkeiten. Es wird kräftig gewürfelt und alles auf einem Haufen liegengelassen: Sucht und Internetpornos, Schulden und Cyber-/Telefonsex, Pick-up-Artist, „Fickbarkeit“ von Frauen, Silikonpuppensex, Prostitution, Menschenersatznähe.

Sicher kann diskutiert werden über den Sachverhalt, dass es Menschen gibt, die ihr Leben (und vielleicht das Bett) mit einer Puppe teilen. Das ist eher nicht ein Ausdruck männlicher Sexualität, sondern Ausdruck eines Lebens, welches ein Mensch aus bestimmten Gründen gewählt hat. Ob tatsächlich mehr und wie viel mehr Männer diese Art von Leben führen, weiß ich nicht und weiß vielleicht auch Frau Rönicke nicht.

Zum Glück beschreibt Frau Rönicke zumindest einmal, was nicht verquere, nicht verkorkste Sexualität ist, zum Beispiel „dass jemand einen sexuellen Akt in schöner Erinnerung behält“. Den Männern sei dies nicht so wichtig, sie wollten „nur“ abspritzen. Per se negativ bewertet. Kann „nur abspritzen“ vielleicht auch mal ganz schön sein? Kann „richtiger“ Sex außer schön einfach mal nur richtig geil sein?

Nebenbei wird beschrieben, dass die Gegenseite (der Mann) verantwortlich ist dafür, dass der sexuelle Akt in schöner Erinnerung (der Frau) bleibt. Wenn sich befriedigender Sex im Miteinander entfalten kann, so ist doch jede/r erst mal für seine eigene Befriedigung, seine eigene schöne Erinnerung zuständig. Und da könnten Frauen doch mit ihren „schwierigen Bedürfnissen und Fantasien“ ganz „offen“ herauskommen.

Ich plädiere für deutlich mehr Fragen als Be- und Verurteilung und für mehr Staunen im Zusammenleben zwischen Männern und Frauen. ELI NABUK, Rüdersdorf