Streit um Sterbehilfe

FDP kritisiert anvisiertes Gesetz gegen die deutsche Dignitas-Filiale. Sterbehelfer engagieren sich in Spanien

Zum Sterben nach Hannover? Diese Vision treibt seit der Gründung der Deutschland-Filiale der Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas am Montag Ärzte, Kirchenleute und Politiker um – und schon tobt der Streit um Maßnahmen gegen den deutschen Dignitas-Ableger, der von einem Büro in Hannover aus zunächst Sterbewillige beraten und möglicherweise zum Freitod in die Schweiz schicken will (taz berichtete). „Vorschnellen strafrechtlichen Aktionismus“ nannte der FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Kauch gestern den Vorschlag der niedersächsischen CDU-Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU), die professionelle Vermittlung von Möglichkeiten zur Selbsttötung künftig unter Strafe zu stellen.

„Die Gefahr liegt in einem professionellen Angebot, das den Tod zum Geschäft macht“, hatte eine Sprecherin des Justizministeriums gesagt. Sie kündigte eine Initiative für ein Bundesgesetz an, das einen Straftatbestand für regelmäßig vermittelte Suizidhilfe formuliert. Solange Dignitas nur berate, könne der Verein weder observiert noch strafrechtlich verfolgt werden.

Währenddessen erwartet das Zentrum für Gesundheitsethik der hannoverschen Landeskirche einen langen Rechtsstreit um die Beihilfe zum Suizid. Die Gründung der Dignitas-Filiale in Hannover diene offensichtlich dem Ziel, einen Präzedenzfall durch die gerichtlichen Instanzen bis zum Europäischen Gerichtshof zu begleiten, sagt Pastor Ralph Charbonnier.

In der Schweiz werden indessen nicht nur durch die Hannover-Filiale mehr „Sterbetouristen“ befürchtet. Dignitas-Generalsekretär Ludwig Minelli engagiert sich mittlerweile auch an der spanischen Mittelmeerküste: Im Februar verhandelte der Ex-Journalist mit einem Arzt in der Provinz Tarragona über eine Kooperation. „Was sind ihre Vorstellungen in Bezug auf eine Kooperation, auch in finanzieller Hinsicht?“, zitiert das Schweizer Nachrichtenmagazin Facts aus einem Brief Minellis in seiner heutigen Ausgabe. Die 1998 in der Schweiz gegründete Organisation hat nach eigenen Angaben bisher 453 Personen bei ihrem Suizid unterstützt. 253 von ihnen reisten dafür aus Deutschland in die Schweiz. Kai Schöneberg