Erdoğan wirft Merkel Nazimethoden vor

Türkei Die Spannungen zwischen Ankara und Berlin wachsen. Erstmals hat der türkische Präsident mit seinen umstrittenen NS-Vergleichen am Sonntag persönlich die deutsche Kanzlerin angegriffen

ISTANBUL afp/dpa | Im Konflikt mit Berlin hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan der deutschen Bundeskanzlerin nun auch persönlich „Nazimethoden“ vorgeworfen. In einer vom Fernsehen übertragenen Rede sagte Erdoğan am Sonntag an Angela Merkel (CDU) gerichtet: „Du benutzt gerade Nazimethoden“. „Gegen wen?“, fragte Erdoğan. „Gegen meine türkischen Brüder in Deutschland und die Minister“, die in Deutschland für die Einführung des Präsidialsystems in der Türkei werben wollten.

Nach der Absage von Wahlkampfauftritten türkischer Minister hatte Erdoğan Anfang des Monats bereits deutschen Behörden „Nazimethoden“ vorgeworfen. Merkel sagte am 9. März bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag: „Diese Vergleiche der Bundesrepublik Deutschland mit dem Nationalsozialismus müssen aufhören.“ Sie nannte die auch vom türkischen Außenminister Mevlüt Ça­vuş­oğlu aufgegriffenen Vergleiche „traurig und deprimierend“ und „so deplatziert, dass man es nicht ernsthaft kommentieren kann“.

In Ankara hat die türkische Regierung unterdessen den deutschen Botschafter wegen einer kurdischen Demonstration in Frankfurt am Main einbestellt. Ein Sprecher Erdoğans sprach am Sonntag von einem „Skandal“, weil viele Demons­tran­ten verbotene Kennzeichen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) mit sich geführt hatten. „Gestern hat Deutschland seinen Namen unter einen weiteren Skandal gesetzt“, sagte er dazu. Der deutsche Botschafter sei am Samstag einbestellt worden, die Vorfälle seien „auf das Schärfste verurteilt“ worden, fügte Präsidentensprecher Ibrahim Kalin im Sender CNN-Türk hinzu. Das kurdische Neujahrsfest Newroz sei als „Vorwand“ für die kurdische Demonstration genutzt worden.

Etwa 30.000 Menschen hatten am Samstag in Frankfurt friedlich für „Demokratie in der Türkei“ und „Freiheit für Kurdistan“ demonstriert. Die Teilnehmer riefen auch zu einem „Nein“ bei dem am 16. April anstehenden Referendum über die Einführung des Präsidialsystems in der Türkei auf.

Kritik an „Spiegel“-Interview

In einer weiteren Entwicklung hat der türkische Verteidigungsminister Fikri Işık in scharfer Form die vom BND geäußerten Zweifel an den Hintergründen des Putschversuchs in der Türkei vom vergangenen Jahr zurückgewiesen. Wenn der Chef des deutschen Geheimdienstes Zweifel daran äußere, dass die Gülen-Bewegung hinter dem Putschversuch stecke, werfe dies die Frage auf, „ob nicht der deutsche Geheimdienst hinter diesem Putsch steckt“, sagte Işık dem Sender Kanal 7 am Sonntag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu.

BND-Chef Bruno Kahl hatte im Nachrichtenmagazin Spiegel die türkische Darstellung angezweifelt, nach der die Bewegung des in den USA lebenden Islampredigers Fethullah Gülen für den Putschversuch vom 15. Juli 2016 verantwortlich ist. Verteidigungsminister Fikri Işık bezeichnete die Äußerungen Kahls zudem als „sehr unglücklich“.

Infolge des Putschversuchs hat Erdoğan am Samstag das Parlament erstmals indirekt aufgefordert, die Todesstrafe einzuführen. Er denke, dass das Parlament nach dem Referendum „das Notwendige“ tun werde, sagte er am Samstag bei einer Kundgebung in Çanakkale mit Blick auf die Todesstrafe. Die EU und die Bundesregierung hatten Ankara eindringlich gewarnt, dass dies das Ende der EU-Beitrittsverhandlungen bedeuten würde.

Unterdessen kann der Welt-Journalist und ehemalige taz-Kollege Deniz Yücel nicht auf eine schnelle Freilassung aus seinem türkischen Gefängnis hoffen. In seiner Rede am Sonntag sagte Erdoğan, Yücel sei ein Terrorhelfer und werde vor Gericht gestellt. „Gott sei Dank ist er festgenommen worden.“