: Wenn gleiche Arbeit nicht gleich viel zählt
Nordderby In der Zweiten Fußball-Bundesliga trennen sich St. Pauli und Hannover verdientermaßen 0:0. Während der Punkt den Gastgebern hilft, könnte er den Abschied des Gästetrainers beschleunigen
Vor dem Millerntor-Stadion verteilte der DGB Goldtaler: Vier an die Männer und nur drei an die Frauen. Zum Equal Pay Day wollte der Gewerkschaftsbund damit deutlich machen, dass Frauen in Hamburg ein Viertel weniger verdienen als Männer. Drinnen, auf dem Platz sah dagegen oberflächlich betrachtet alles gerecht aus: kein Tor und ein Punkt für jeden. Erst bei näherem Hinsehen zeigte sich, dass der FC St. Pauli gewissermaßen den weiblichen Part spielte, weil er nämlich für den einen Punkt viel mehr Aufwand treiben musste als Hannover 96.
Nach einer Halbzeit voller Fehler setzten die Hamburger die Gäste eine halbe Stunde lang konsequent unter Druck und kamen zu zahlreichen guten Chancen. Nur Goldtaler wollten partout nicht dabei herausspringen. Als ihre beiden Antreiber Mats Møller-Daehli und Cenk Şahin vom Platz gingen, die zwar nicht ihren besten Tag hatten, aber immer noch aus dem Team herausragten, ließ der Druck der St. Paulianer wieder nach.
Und in der letzten Viertelstunde gerieten sie gegen bis dahin weitgehend indisponierte Gäste sogar nochmal ins Schwimmen. In der 92. Minute sah es fast aus, als hätte 96 seinen Ertrag noch verdreifacht: Der eingewechselte Jungstar Noah Joel Sarenren Bazee köpfte den Ball ins St. Pauli-Tor, wurde aber von Schiedsrichter Felix Zwayer wegen Foulspiels zurückgepfiffen.
Bleibt die Frage, für wen der eine Punkt nun mehr wert ist. Für Hannovers Trainer Daniel Stendel dürfte er nach erneut dürftiger fußballerischer Leistung nicht gerade zum Arbeitsplatzerhalt beitragen. Böse Zungen sagen, sogar nach einem knappen Sieg hätte der ungeduldige Präsident Martin Kind seinen vor einer Woche vorgestellten neuen leitenden Angestellten Horst Held angewiesen, den Hannoverschen Volkshelden vom Traineramt zu beurlauben.
Dass nun ausgerechnet der ewige Niedersachsen-Rivale Eintracht Braunschweig Hannover mit seinem in letzter Minute erzielten 3:2 gegen Heidenheim aus den Aufstiegsrängen verdrängt hat, macht die Sache nicht besser.
Bei St. Pauli ist die Bewertung komplizierter: Im Tabellenkeller ist es nach den letzten Befreiungsschlägen wieder enger geworden, weil auch die Konkurrenz gepunktet hat. Die Hamburger rangieren nur noch zwei Punkte vor dem Relegationsrang, aus den letzten zwei Spielen holten sie nur einen Punkt. Andererseits hat Trainer Ewald Lienen, den in der Winterpause viele schon abgeschrieben hatten, eine spektakuläre Wende geschafft. Die Mannschaft hat sich spielerisch stark verbessert und holte 14 von 24 möglichen Punkten – drei mehr als in der gesamten Hinrunde.
Und die beste Nachricht: Gegen die vier Topteams der Liga hat St. Pauli schon gespielt, dabei einen Sieg, ein Unentschieden und zwei knappe Niederlagen geholt. Wenn es so weitergeht, sollte am Saisonende der Klassenerhalt geschafft sein. Das dürfte sich dann zumindest anfühlen wie vier ganze Goldtaler, wie bei echten Männern.Jan Kahlcke
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