heute in hamburg: „Auf Kosten anderer“
Flucht Die Unterteilung in Wirtschafts- und Kriegsflüchtlinge ist falsch, sagt Thomas Gebauer
62, ist Psychologe und stieg bei Medico International vom Zivildienstleistenden zum Geschäftsführer auf.
taz: Herr Gebauer, was sind Überlebensflüchtlinge?
Thomas Gebauer: Das sind Menschen, die existentiell bedroht sind, weil ihnen ihre Lebensgrundlage geraubt wurde. Zum Beispiel durch Umwelt und Klimawandel-Einflüsse, oder wie bei vielen Menschen in Afrika durch den Landraub der Großkonzerne. In meinen Augen sind das Überlebensflüchtlinge, die das Recht haben, sich auf den Weg zu machen und anderswo nach einer möglichen sicheren Existenz zu suchen.
Wieso ist es falsch, zwischen Wirtschafts- und Kriegsflüchtlingen zu unterschieden?
Für mich kämpfen Menschen auf der Flucht immer um ihre Rechte, weil sie versuchen die Menschenrechte in ihrem Leben umzusetzen. Das sind einerseits politische Freiheitsrechte aber auch soziale und wirtschaftliche Rechte. Sie bedingen sich gegenseitig und sind deshalb nicht zu trennen. Die Unterscheidung von Leuten, die politisch verfolgt werden und denen, die ihre Lebensgrundlage verloren haben, halte ich für moralisch nicht haltbar.
Geht es den sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen in ihren Heimatländern denn schlecht?
Wenn sie die Menschen fragen, warum sie sich auf den Weg machen, dann sind die Gründe nachvollziehbar. Sie haben keine Perspektive. Es fehlen Jobs. Es fehlt Bildung. Manche haben die Möglichkeit Schulen und Universitäten zu besuchen, finden aber hinterher keine Arbeit um ihre Fähigkeiten einzusetzen. Es stimmt, dass diejenigen herkommen, die sich eine Flucht noch leisten können. Die Ärmsten schaffen es nicht einmal, ihre Dörfer zu verlassen, geschweige denn den beschwerlichen Weg nach Europa anzutreten.
Ist die Globalisierung die stärkste Fluchtursache?
Ja, sie ist für mich die Hauptursache für Flucht- und Migrationsbewegungen. Es ist eine rein wirtschaftliche Globalisierung, die kein globales politisches Gebilde geschaffen hat oder eine Weltbürgerschaft. Sie verfolgt allein die Profitinteressen der Wirtschaft. Kapital und Waren können sich frei bewegen – Menschen nicht.
Ist somit unser Wohlstand auch eine Flucht-Ursache?
Ja, aber es ist nicht der Wohlstand alleine, sondern unsere Lebensweise. Denn sie findet auf Kosten anderer statt.
Interview: Antonia Wegener
Vortrag „Recht auf Freizügigkeit – Globalisierung von unten!“ um 20 Uhr in der W3 – Werkstatt für internationale Kultur und Politik, Nernstweg 32-34, Eintritt gegen Spende
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