: Tiere mit Dolmetscher
Lit.Cologne Förster Peter Wohlleben trifft Philosoph Richard David Precht
Tiere können nicht sprechen und nicht schreiben. Wollen sie mit uns in Verhandlung treten, brauchen sie einen Dolmetscher und einen Anwalt. Ersteren mimt am Dienstagabend Förster Peter Wohlleben, der sich nach „Das geheime Leben der Bäume“ in seinem neuen Buch dem „Seelenleben der Tiere“ zugewandt hat. Die Rolle des Anwalts übernimmt Philosoph Richard David Precht („Tiere denken“). Ein Spitzentreffen im Rahmen der Lit.Cologne, beide Autoren stehen in den Top 20 der Bestsellerliste Sachbuch. „Es besteht Hoffnung für die Tiere, wenn hier so viele Menschen kommen“, sagt Precht. Mit 1.200 Besuchern haben sie das größte Publikum des Literaturfestivals.
„Das Tierschutzgesetz ist ein Tiernutzungsgesetz, denn es handelt nur vom Töten“, sagt Precht zu Beginn. Noch schärfer als mit der Politik geht er mit privaten Jägern ins Gericht. „Sie töten, weil es ihnen Spaß macht. Menschen, die gerne Tiere töten, haben psychische Probleme. Man muss ihnen helfen. Eine Aufgabe für die Krankenkasse.“ Das Publikum lacht. „Die beste Medizin gegen Jagd sind Wölfe“, ergänzt Wohlleben. Denn diese regulierten den Wildtierbestand. Geschossene Wildtiere solle man ohnehin meiden, denn „der vermeintliche Wildgeschmack entsteht beim Erschießen – durch geplatzte Därme“.
Man erkennt: Beide Autoren sind humorvolle Verfechter der Tierrechte. Wohlleben meint dazu, dass alles, was kreucht und fleucht, auch fühlen kann: sich schämende Stuten, schüchterne Kohlmeisen, verliebte Fische. Und Hähne können lügen. „Glück ist nicht von der Größe des Gehirns abhängig. Auch Fruchtfliegen strampeln im Schlaf mit den Beinen und scheinen zu träumen.“
Trotzdem essen wir Tiere und sperren sie dafür ein. Die Lösung für das Ende der Massentierhaltung sieht Precht in politischen Maßnahmen wie der Förderung neuer Technik: Fleisch aus der Petrischale, ohne dass ein Tier dafür sterben muss. „In 20 Jahren werden Schlachthöfe hoffentlich Gedenkstätten sein und wir werden unseren Enkeln erklären müssen, warum wir das zuließen“, sagt Precht.
Auch Wohlleben blickt optimistisch in die Zukunft. „Wenn wir selbst Bäume heute ernst nehmen, scheint unsere Natursehnsucht stärker zu werden.“ Sein Baumbuch steht seit fast zwei Jahren in der Bestsellerliste – aktuell noch vor den Tieren. Paul Wrusch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen