Gerechtigkeit

Bei der Bundestagswahl ist der soziale Ausgleich ein Kernthema, das weiß auch die SPD. Doch wie weit kann Martin Schulz gehen?

Linkssein für Mutige

Mehr Risikobereitschaft erfordern jene Pläne, die zwar starke Veränderung mit einem hohen Gerechtigkeitsfaktor versprechen, aber mächtige oder viele Gegner haben:

■Unbeliebt sind etwa höhere Vermögen- und Erbschaftsteuern. Das Killer-Argument dagegen ist die angebliche Gefährdung von Jobs (Arbeitgeber) oder die Warnung vor Kapitalflucht. Dabei gab es bis 1996 eine Vermögensteuer in Deutschland, ohne dass Firmen pleitegingen. SPD-Vizechef Thorsten Schäfer-Gümbel, der das SPD-Steuerprogramm für die Bundestagswahl erarbeitet, möchte lediglich eine Reform der Erbschaftsteuer. Nach seinen Ankündigungen ist denkbar, dass Martin Schulz demnächst Pläne für eine moderate Reform der Erbschaftsteuer auf sehr hohe Vermögen präsentieren wird. Die SPD weiß, dass auch ein Mittelschichtserbe, der ein Haus im Wert von 800.000 Euro erbt, künftig von der Erbschaftsteuer verschont bleiben möchte.

■ Sehr schwer tut sich die SPD auch mit einer stärkeren Belastung von Gutverdienern durch die Einkommensteuer. Schäfer-Gümbel kündigte an, die Reichensteuer nur auf Einkommen über 240.000 Euro bei einem Single von bisher 45 auf künftig 48 Prozent zu erhöhen, wohlgemerkt 48 Prozent nur auf die Einkommensteile, die über dieser Summe liegen. Alleinstehende noch mit 4.000 Euro Monatsbrutto sollen hingegen laut Schäfer-Gümbel künftig steuerlich entlastet werden. Die SPD stellt die steuerliche Entlastung der Mittelschicht als Gerechtigkeitsthema in den Vordergrund und weniger die Umverteilung von oben nach unten. Übrigens lag der Spitzensteuersatz (ohne Reichensteuer) von heute 42 Prozent in den 80er Jahren schon mal bei 56 Prozent.

■Viel Protest in der Mittelschicht würde die SPD auch mit der schlagartigen Einführung der Bürgerversicherung hervorrufen, einer alten SPD-Idee. Käme die Einheitskasse für privat und gesetzlich Krankenversicherte, gingen die Ärzte auf die Barrikaden. Käme die Einheitsrentenkasse, in der auch Solo-Selbstständige Pflichtbeiträge entrichten und Staatsdiener eintreten müssten, hätte Schulz die Selbstständigen und Beamten auf dem Hals. Zur Bürgerversicherung gibt es daher eine neue Stufenvariante der SPD, nach der Arbeitgeber künftig wieder die gleichen Beiträge in die Krankenkasse zahlen müssten wie Beschäftigte. Vielleicht stellt Schulz so was demnächst vor.

■Noch stiller ist die SPD, wenn es um die Erhöhung von Hartz IV geht. Diese Leistung kriegen auch Migranten, Flüchtlinge. Leute, die nicht wählen dürfen.

Barbara Dribbusch