Off-Kino
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

„The Woman in the Window“ (OF)30. 9.–1. 10. im Zeughauskino„The Killing“ (OF)1. 10.–2. 10. im Zeughauskino„The Man Between“29. 9. in der Urania

In seinem Film „Fury“ lässt Fritz Lang einen Barbier mit dem Rasiermesser in der Hand von den „plötzlichen Anwandlungen“ philosophieren, die – falls man ihnen nachgibt – einen Menschen schnell ins Gefängnis oder ins Irrenhaus bringen können. Langs Protagonisten folgen stets diesen Impulsen: der genialisch-verrückte Dr. Mabuse ebenso wie der psychopathische Kindermörder in „M“ oder der harmlose Psychologieprofessor in „The Woman in the Window“ (1944). Wie das Rotkäppchen im Märchen macht der Strohwitwer Professor Richard Wanley (Edward G. Robinson) einen kleinen Schritt vom Wege, bändelt mit einer schönen Unbekannten (Joan Bennett) an und wird augenblicklich in den Totschlag an ihrem Liebhaber verwickelt. Bald schon plant er die Ermordung eines Erpressers (Dan Duryea). Der Film noir, der dem amerikanischen Kino in scharfen Schwarz-Weiß-Kontrasten die moralischen Grauzonen erschloss, kam Langs Geschichten zweifellos entgegen: Was in „The Woman in the Window“ noch mit einem Augenzwinkern endet, formulierte Lang nur ein Jahr später mit den selben Schauspielern in „Scarlet Street“, wo dann niemand mehr aus einem Albtraum erwacht, noch erheblich schärfer.Eine Noir-Variation ist auch Stanley Kubricks „big caper“-Film „The Killing“ (1956), in dem der Verbrecher Johnny Clay (Sterling Hayden) die Tageseinnahmen einer Rennbahn rauben möchte und zu diesem Zwecke einige „Mitarbeiter“ um sich versammelt. Ausführlich schildert der Film die minutiöse Planung und Durchführung des Raubes sowie die Motivation, die Stärken und die Schwächen der Gangster, die mit dem geraubten Geld natürlich nicht glücklich werden. Nicht zuletzt deshalb, weil ein Täter mit einer jener Noir-typischen Femme fatales verheiratet ist, die ihren eigenen Vorteil nicht unbedingt in der Unterstützung ihres schwächlichen Gatten erkennt. Ungewöhnlich sind in „The Killing“ vor allem die Zeitabläufe: Der Plot wird in vielen verschachtelten Rückblenden erzählt, und oftmals sieht man zeitgleich ablaufende Vorgänge sogar aus den verschiedenen Blickwinkeln der handelnden Personen.Ebenfalls recht düster geht es in Carol Reeds Agentengeschichte „The Man Between“ (Gefährlicher Urlaub, 1953) zu: Eine junge Britin (Claire Bloom) reist als Touristin ins geteilte Berlin der frühen 50er-Jahre, um ihren Bruder zu besuchen, und wird in dubiose Machenschaften des Ost-Geheimdienstes verwickelt, in deren Verlauf man sie (versehentlich) nach Ostberlin verschleppt. Neben der guten Besetzung (Bloom, James Mason, Hildegard Knef) des Films ist natürlich vor allem der Blick auf die Stadt interessant: Da gibt es zum einen mit dem Flughafen Tempelhof, dem Brandenburger Tor und dem Reichstag mit kaputter Kuppel viel leicht zu identifizierende Berlin-Folklore zu sehen, zum anderen wird aber auch das Nebeneinander zwischen Ruinen und – beispielsweise – dem bereits wieder hergerichteten Ku’damm gezeigt. Links die Arbeiter am Neubau, rechts verwüstete Trümmerfelder – so wird es damals tatsächlich ausgesehen haben. LARS PENNING