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Lehrstunde in Sachen Kritik

Kurz vor den Herbstferien zieht die GEW eine vernichtende Bilanz der Reformen an den Grundschulen. Es fehlten Räume und Personal, teilweise herrsche Chaos. Schulsenator Böger spricht von Einzelfällen

Von David Denk

„Grundschulreform zum Scheitern verurteilt?“, lautet die Überschrift einer Pressemitteilung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) von gestern. Es ist eine rhetorische Frage.

Kurz vor den Herbstferien zieht die GEW eine vernichtende Zwischenbilanz für die 450 Berliner Grundschulen: „Aufbewahren und Verwalten statt pädagogischer Arbeit – mehr ist trotz aller Anstrengungen in der Praxis vielerorts nicht drin.“ Laut der GEW sind zu wenig Räume für die neuen Betreuungsangebote vorhanden; auch an Erziehern dafür fehle es. Die Folge: Das Personal sei völlig überlastet. Darunter litten auch die Schüler.

Dabei sollte die Reform eigentlich ihnen zugute kommen und die verstärkte Zusammenarbeit von Lehrern und Erziehern ihre Betreuung verbessern. „Wenn die Finanz- und damit auch die Personaldecke allerdings so eng ist, endet die Reform im Chaos“, sagt eine Neuköllner Grundschullehrerin, die wegen des von Bildungssenator Klaus Böger (SPD) verhängten Maulkorbs anonym bleiben will.

In die Offensive hingegen geht Peter Sinram, Sprecher der GEW Berlin: „Herr Böger möchte als großer Bildungsreformer in die Geschichte eingehen. Da werden Details ausgeblendet.“ Die GEW hätte sich einen behutsameren Start der Reformen gewünscht. „Man hätte nicht berlinweit flächendeckend damit anfangen müssen“, sagt Sinram, sondern vom Beispiel freiwilliger Modellschulen lernen sollen. Einschulung mit fünfeinhalb, Verlagerung der Kitas an die Schulen, die flexible Schulanfangsphase und einiges mehr – diese Neuerungen seien zu viel auf einmal. Die GEW zweifle nicht am Sinn der Reformen, sondern an deren Umsetzung.

Wie erwartet lässt Bildungssenator Böger die GEW-Kritik nicht gelten: „Wie man diesen wichtigen Reformprozess nach vier Wochen als ‚gescheitert‘ bewerten kann, bleibt das große Geheimnis der GEW.“ Wie er auf vier Wochen kommt – es sind fast acht seit Schulbeginn –, bleibt das große Geheimnis des Senators. „Unsere Reformen sind in aller Breite diskutiert, beschlossen und gut vorbereitet worden“, sagt Böger. „Dementsprechend ist das Schuljahr gut gestartet.“

Böger spielt die kritisierte Raumnot herunter und erwähnt „die ein oder andere unerfreuliche Baustelle“ an Schulen, „wo nicht mit Priorität Ganztagsausbau und Schulsanierung betrieben wurden“. Einzelfälle, die, weil die Schulen in der Regel von den Bezirken getragen werden, nicht in seinen Kompetenzbereich fallen. Schuld sind die anderen – auch die unflexiblen Lehrer: „Wichtig ist, dass an jeder einzelnen Schule Lehrkräfte und pädagogisches Personal gemeinsame Sache machen.“

Vor der von Böger vage angekündigten und von der GEW als Zeichen seiner Schwäche gewerteten Konferenz zur Lage an den Grundschulen sind die Fronten verhärtet. Und Böger legt nach: „Wer die geplante Tagung für ein Eingeständnis des Scheiterns hält, ist neben der Spur. Ich kann das nur als Beitrag zur vorgezogenen Eröffnung des Karnevals werten.“ Seltsam nur, dass an den Grundschulen anscheinend niemand in Feierlaune ist.

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