Ein friedlicher Geburtstag

Die deutsche Filiale der US-Umweltorganisation Greenpeace blickt auf eine Geschichte von 25 Jahren zurück. Viel hat sich in dieser Zeit verändert, auch der idealistische Anspruch von Greenpeace selbst

VON JAN FEDDERSEN

Aktivisten der ersten Stunde, etwa die spätere rot-grüne Politikerin Monika Griefahn, erinnern sich mit Wehmut an den 13. Oktober 1980, als in den frühen Morgenstunden die deutsche Filiale der Umweltorganisation Greenpeace zur Welt kam, besser: zum öffentlichen Faktor wurde.

Es war eine konzertierte Aktion, mit der um Aufmerksamkeit gerungen wurde. In Nordenham an der Wesermündung blockierten Umweltschützer die Dünnsäureverladebrücke zwischen dem Schiff „Kronos Titan“ und dem dortigen Bayer-Werk. Zeitgleich wurden zentnerweise missgebildete Fische vor den Eingang der „Bayer“-Dependance an der Elbmündung bei Brunsbüttel und vor dem Hydrographischen Institut in Hamburg ausgekippt – weil es die Dünnsäureverklappung genehmigt hatte. Dass das alles schon ein Vierteljahrhundert her ist, spricht ja tatsächlich für den nachhaltigen Erfolg dieses Global Player, dessen Wurzeln, wie bei jeder der modernen sozialen Bewegungen, in den USA ausfindig zu machen sind.

1971 an der Westküste der USA gegründet, nachdem man auf Kuttern vor den Aleuten nahe der Arktis gegen amerikanische Atomtests protestiert hatte, war Greenpeace ein typisches Kind der Zeit nach 68: Schluss mit der Theorie, Schluss mit den textlichen Exegesen. Was zählen sollte, war die Kraft der Aktion – gut amerikanisch, mit allen Mitteln des so genannten Campaigning.

Die deutsche Filiale guckt heute auf eine beispiellose Erfolgsgeschichte zurück – und verweist auf 548.000 Förderer, deren Monat für Monat überwiesene Daueraufträge die Arbeit der Organisation erst möglich machen.

2.700 Ehrenamtliche sind momentan tätig. Resultat der Differenzierung einer jeden Gruppe, die zur Organisation wird: Es gibt Zirkel für jeden Geschmack. Und doch: Greenpeace ist eine rücklagenstarke Organisation geworden, eine, die sich nach wie vor des Privilegs der (steuerlich behaglichen) Gemeinnützigkeit erfreuen kann. Ihre besten Tage hat sie aber hinter sich. Wer Greenpeace als revolutionär bezeichnet, der hält auch die Sozialdemokratie für ein Bollwerk der Arbeiterbewegung.

Der Appeal freilich war anfänglich unwiderstehlich. Männer (nur selten Frauen), die in Schlauchbooten auf Wellenkämmen reiten, dem atomaren oder chemischen oder sonst wie bedrohlichen Molochen entgegen. Mal gegen Frankreichs Atomtests in der Südsee, mal gegen Chemiesauereien, dann wieder gegen den Walfang oder das Robbensterben. Stets kam es Greenpeace weniger auf ökologische Reinheit des Denkens an (von einem Wal mehr oder weniger hängt keine Ökobilanz der Welt ab, wie man intern auch einräumt) als auf das Spektakel. Denn grelle Performances zählten– das war und ist das Gesetz in den USA seit jeher.

Greenpeace hat alternativen Zeitgeist zum Pop gemacht; man lernte, dass Gegenstand eines Filmberichts in der „Tagesschau“ zu sein nicht korrumpieren, sondern auch popularisieren kann. Aber das seltsam flüchtige Gut „Zeitgeist“ ist an Greenpeace vorbei- und hinübergeweht wie eine atomverstrahlte Wolke über Europa der Tschernobyl-Ära. Spätestens Ende der Achtzigerjahre, mit dem Fall des Eisernen Vorhangs, hatte diese Organisation ihren moralischen Anspruch auf Avantgarde hinter sich gelassen.

Die Welt der Protestgenerationen fand ein anderes Credo – nicht mehr Öko, sondern Krieg und Frieden. Greenpeace war zum Sieger über sich selbst geworden: Man war wer – und damit im Grunde wie alle, die lobbyistisch tätig sind, für welches Anliegen auch immer.

Aber was für eine Bilanz: Wale gelten als die kuscheligsten Tiere des Ozeans, ihre Gesänge als kostbar und Botschaften aus einer anderen, besseren Welt; Japan und Norwegen kommen vom Hautgout walfleischliebender Nationen nicht mehr herunter; kein Kühlschrank der Welt verzichtet mehr auf das Label FCKW-frei; kein Hotel, das seine Gäste nicht darauf hinweist, dass Handtücher gern zweimal genutzt werden können – um weniger Waschmittel zu verbrauchen; in keiner Schule fehlt mehr die Unterweisung ins Umweltschützerische. Wer Müll nicht trennt, leidet unter schlechtem Gewissen – und wer Pelze trägt, ist eine miese, tierquälerische Sau: Greenpeace hat den moralischen Standard dessen, was okay ist in Sachen Umwelt, gänzlich umbuchstabiert.

Dass Greenpeace unter fehlenden Kampagnen-Ideen leidet, ist normal in einer Zeit, in der mehr und mehr Menschen finden, dass Umwelt vielleicht nicht die allererste Sorge sein muss. Den Abenteuerspielern der Meere ist unser Dank dennoch gewiss. Monika Griefahn kann davon nur träumen.