Seele, Glanz, Glamour

Foto Die Stars und auch den Tod im Blick: Eine Werkschau des schottischen Porträt- und Modefotografen Rankin in der Camera-Work-Dependance CWC Gallery in Mitte

Stumme, schreiende Gesichter, inspiriert vom mexikanischen „Tag des Todes“: „Memento Glitter“ von Rankin Foto: Abb.: Camera Works

von Florian Sturm

Wie sieht der Stil aus von einem Fotografen, der stilbildend ist für eine ganze Bildergeneration? Eine Frage, die man Rankin besser nicht stellt. Wer es sich doch traut, ist nachher fast so schlau wie vorher: „Mein Stil ist, dass ich keinen Stil habe. Weder das Licht noch meine Art zu fotografieren sind bei zwei Shootings vollkommen identisch“, sagt der Fotograf. Ein Element gebe es jedoch, das all seine Bilder vereint: Ehrlichkeit.

Je länger man auf eines der insgesamt 63 Bilder schaut, die derzeit in der CWC Gallery in Mitte zu sehen sind, desto klarer wird, warum der Schotte zu den Besten seiner Zunft gehört: Obwohl alle im Bruchteil einer Sekunde aufgenommen, ebnen viele Porträts den Weg zu ganzen Seelenwelten.

Manchmal öffnet sich die Tür dabei nur einen kleinen Spalt, wie im Fall von Lucy Liu. Rankin zeigt die Schauspielerin fast gänzlich eingehüllt in einen Schal. Von ihrem hübschen, markanten Gesicht sind lediglich Haare, Stirn und Augen zu sehen. Alles, was darunterliegt, im metaphorischen wie im Wortsinn, bleibt verborgen. Fast. Wäre da nicht ihr Blick, ein subtiler und gleichzeitig expliziter Mix aus Stärke, Zurückhaltung und der Frage an den Betrachter: Was siehst du in mir?

Andere Motive wiederum sperren die Tür zum inneren Ich kompromisslos auf und lassen jeden ohne Umschweife hinein. Der vierfache Bowie, den Rankin in einer Schwarzweißcollage arrangiert, komprimiert das facettenreiche Naturell des Musikers gekonnt auf eineinhalb Quadratmetern.

Altbekanntes neu zu interpretieren gehört ebenso zum Qualitätsmerkmal eines Künstlers, ganz egal in welchem Genre. Den Babyshambles- und Libertines-Frontmann Pete Doherty inszenierte de Fotograf mit einer schwarzen Katze auf der Schulter. Lichtsetzung, Perspektive und Schärfe – alles nahezu perfekt. Doch viel wichtiger als diese technischen Aspekte ist die Bildsprache.

Ein Element, sagt der Fotograf, gebe es, das all seine Bilder vereint: Ehrlichkeit

Erst durch die Idee eines Schwarz-Weiß-Arrangements, gepaart mit dem verträumten Blick von Mensch und Tier, bespielt Rankin die symbolische Ebene des Bilds. Doherty, dessen Skandale weitaus mehr Me­dien­präsenz bekommen als seine musikalischen Errungenschaften, steht für diese Welt: schwarz oder weiß, alles oder nichts. Ein Farbfoto hätte hier gänzlich versagt. Der Blick weg vom Betrachter scheint Aufforderung und Hilferuf zugleich: Schaut vorbei am ersten Eindruck. Wenn ihr euch traut.

Aber wie viel Realität steckt in solchen Bildern? Lassen uns die Stars wirklich hinter die Fassade schauen oder ist es einzig Rankins Verdienst, genau diesen Anschein zu vermitteln? Eindeutige Gewissheit werden wir nie haben – ebenso wenig Rankin selbst –, doch jeder, der selbst schon mal ein Porträt gemacht hat, weiß, dass nicht die Kamera das wichtigste Element dabei ist. Es geht um die Beziehung zwischen Fotograf und Model, bei der es knistern muss – im positiven oder negativen Sinne. Nur dann hat ein gutes Bild die Chance, großartig zu sein.

Rankin steht jedoch nicht nur für nackte Seelen, sondern eben auch für nackte Haut. Heidi Klum, Kate Moss, Giselle Bündchen und natürlich Ehefrau Tuu­li Shipster dienen der CWC Gallery als Beweis für Rankins Obsession des hüllenlosen Körpers. Nicht obszön, sondern stilvoll, gern auch mal provokant.

Ein weitaus interessanterer Teil der Galerie hebt sich ab von allem anderen. Dunkle Wände, düstere Stimmung, das Gefühl der Einsamkeit. Wer diesen Raum betritt, muss bereit sein für einen Rollentausch. Hier steht der Besucher im Zentrum der Aufmerksamkeit, wird neugierig angestarrt von stummen und zugleich schreienden Gesichtern.

Rankins Blick auf die Schau­spielerin Lucy Liu Foto: Abb.: Camera Works

Es handelt sich dabei um die neuesten aller gezeigten Arbeiten aus dem Bilderuniversum des Fotografen. Persönliche Projekte, die verdeutlichen, dass Rankin mehr kann als bloß Promiporträts. Inspiriert vom „Día de los Muertos“, dem Tag der Toten, kombiniert er einen der wichtigsten mexikanischen Feiertage mit typischen Elementen der Beautyfotografie: klassisches Porträtformat, perfekte Symmetrien, Glanz und Glamour, immer den Hauch von a little too much.

Ob es die Schönheit des Todes und dessen immense Strahlkraft auf unsere Gesellschaft ist oder letztlich die pompöse Maskerade der Endlichkeit, die uns Rankin aufzeigen will, bleibt ungewiss.

Deutlich wird jedoch, dass es vor allem diese persönlichen, viel stärker an der Fotokunst orien­tier­ten Projekte sind, mit denen er auch nach über 30 Jahren im Geschäft immer wieder neue, mitunter provokante Denkanstöße setzt. Und dass in unserer visuell so überfrachteten Welt noch immer Platz ist für die wahren, großen Bilder, von einen wahren, großen Meister.

Bis 1. April in der CWC Gallery, Auguststraße 11–13, Di.–Fr. 10–18 Uhr und Sa. 11–18 Uhr