LeserInnenbriefe
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Stoppt diese Motoren

betr.: „Die Autokratie“, taz vom 4./5. 3. 17

Zwar bestätigt Bernhard Pötters Reportage „nur“ bekannte und vermutete Machenschaften und Verquickungen von Autoherstellern, zuständigen Behörden und Parlamentariern, wenn Deutschlands Noch-Industriezweig Nummer eins betroffen ist, trotzdem ist sein Artikel in Stringenz, Beweis und Quintessenz überzeugend.

Der von ihm zitierte Dialog zwischen Ausschussmitglied Lange und Ex-VW-Chef Winterkorn ist ebenso entlarvend wie die aufgezeigten „Abhängigkeiten“ fast jeden Untersuchungsausschussmitglieds vom Objekt der Veranstaltung/Untersuchung.

Viele der von Bernhard Pötter formulierten Einschätzungen „kommen salopp und spitz daher“, treffen aber meines Erachtens punktgenau:

„Zeuge auf Zeuge belegt eine Symbiose von Autobauern, Behörden und Politik.“ „Alle haben vermutet, dass betrogen wurde. Aber keiner wollte es so genau wissen.“ „Die Krise (Treibstoffmotor versus Elektromobilität) hat es nicht geschafft den Konsens zwischen Politik und Industrie zu schwächen.“

Pötter scheut auch keinen marktwirtschaftlichen Tabubruch, wenn er für jene Branche „Stamokap“ (Staatsmonopolkapitalismus) feststellt. Dass „nach wie vor niemand weiß, wie die Dieselmotoren die Grenzwerte für Stickoxide einhalten sollen“, ist ja der Skandal an sich, das heißt doch eigentlich, solche Motoren sollten gar nicht mehr laufen.

Albert Reinhardt, Stralsund

Auch Söhne haben Mütter

betr.: „Der Mainzer aus Bagdad“, taz vom 8. 3. 17

Abbas Khider, „der Sohn eines Dattelhändlers“, heißt es in Eurem Porträt. Hatte er keine Mutter? Und das am 8. März, dem Internationalen Frauentag, mit elf Sonderseiten. Ich wünsche mir (noch) mehr Sensibilität.

REINALD SCHWARZ, München

Relocation – viel zu langsam!

Betr.: „Auch Deutschland missachtet Flüchtlingsquote der EU“, taz vom 2. 3. 17

Dass die taz einmal mehr über die Hintergründe des Relocation-Programms informiert, ist gut und sehr wichtig. Fast niemand weiß, dass Deutschland im Herbst 2015 eine Selbstverpflichtung übernommen hat, 27.500 Geflüchtete, die unter schlimmen Bedingungen in Griechenland und Italien festsitzen, bis zum Herbst des Jahres 2017 in unser Land aufzunehmen.

Es gibt in vielen Städten Initiativen, die sich für die Umsetzung des Relocation-Programms einsetzen, weil diese nur äußerst schleppend verläuft. Cirka zwanzig Initiativen haben sich über die Plattform 50ausidomeni.de vernetzt und eine Relocation-Petition gestartet, die mit 47.000 Unterschriften am 1. März dem Bundesinnenministerium übergeben wurde. Bedauerlicherweise erwähnt die taz die Petitionsübergabe gar nicht.

MARITA GABRIAN, Marburg

Wo leben diese Leute eigentlich?

betr.: „Wer mit dem Teufel isst“, taz vom 4./5. 3. 17

Vielen Dank Bettina Gaus für diesen Kommentar. Sie sind eine der wenigen, die den PolitikerInnen so schonungslos den Spiegel vorhalten. Es tut weh, sich jeden Tag die verlogenen Diskussionen über Sammelabschiebungen nach Afghanistan oder Auffanglager in Nordafrika anhören zu müssen.

Immer wieder wird abgewiegelt und behauptet, dass nur Mehrfachstraftäter abgeschoben werden sollen, humanitäre Belange Berücksichtigung finden und es ja sehr wohl sichere Gebiete mit Entwicklungsperspektiven in Afghanistan gäbe.

Wo leben diese Leute eigentlich? Aktuell steigen die Zahlen toter Zivilisten, darunter auch Frauen und Kinder, dramatisch an. Anschläge sind im ganzen Land, auch in Kabul, an der Tagesordnung. Der Hauptstützpunkt der Bundeswehr wird von den Taliban überrannt und Politiker trauen sich, wenn überhaupt, nur mit schusssicheren Westen und Militäreskorte ins Land.

Die Begründungen, Afghanistan als sicher zu betrachten, lassen sich an Zynismus kaum noch übertreffen. Weil wir die Bundeswehr und Geld dort hinschicken, muss das Land jetzt sicher sein, obwohl intern selbst das Auswärtige Amt das Gegenteil bescheinigt und die Afghanistan-Mission als weitgehend gescheitert gilt. Es macht fassungslos, wenn die EU – und hier ist Deutschland federführend – versucht, mit Autokraten und Diktatoren Deals abzuschließen, um die EU zur Festung auszubauen. Und dies nur, weil wir, eine der reichsten Regionen der Erde, uns nicht in der Lage sehen, mit einigen zehntausenden Schutzsuchenden fertig zu werden, wohingegen zur gleichen Zeit arme Staaten wie Uganda und Burundi ein Vielfaches an Bürgerkriegs- und Hungerflüchtlingen aus Nachbarländern aufnehmen.

Europa erhebt sich moralisch über die US-Politik unter Trump. Dabei unterscheidet sich die EU-Migrationspolitik de facto nur in Nuancen von dieser.

Wir verbrämen unser Vorgehen zwar mit diplomatischen Floskeln und geben den Staaten Geld dafür, dass sie uns das Flüchtlingsproblem vom Hals halten, statt wie Trump im Falle Mexiko diese selbst zahlen zu lassen. Das Ziel ist aber in beiden Fällen identisch: Keiner soll mehr rein, koste es, was, und viel schlimmer, wen es wolle!

MARKUS STEUERNAGEL, Frankfurt