CSU stolpert in die Zeit nach Edmund Stoiber

Wenn Edmund Stoiber von der Isar an die Spree wechselt, drohen der Landesregierung in Bayern einige Turbulenzen. Ungeklärt ist nicht nur die Nachfolge. Nach der Wahlenttäuschung steht auch der Kurs des Kabinetts in Frage

MÜNCHEN taz ■ Es wird die Flucht nach vorn: Edmund Stoiber zieht es nach Berlin. Zwar müssten sich Union und SPD erst mal auf eine stabile Regierung verständigen, so der CSU-Chef und bayerische Noch-Ministerpräsident, aber „dann kann ich mir auch vorstellen, in diesem Kabinett Verantwortung zu übernehmen“.

Wenn er denn wirklich geht, hinterlässt Stoiber Land und Partei nicht im Topzustand: Im ersten Halbjahr kommt Bayerns Wirtschaftswachstum mit 0,9 Prozent im Bundesländervergleich nur noch auf Platz fünf, selbst Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt sind vorbeigezogen – vermutlich auch in Folge des rigiden und eigenwilligen Sparkurses Stoibers, der kaum noch Investitionen vorsieht und für den der Ministerpräsident viel Gegenwind aus den Kommunen, von der Basis und auch aus der Führungsriege bekommt. Nicht zuletzt deswegen schrumpfte der einstigen Supervolkspartei CSU bei der Bundestagswahl ihre absolute Mehrheit auf 49 Prozent zusammen – minus 9 Prozent.

Ein Wechsel nach Berlin böte Stoiber mindestens zwei verlockende Perspektiven: Er könnte persönliches Renommee sichern und Bundesmittel zur Rettung des „Lebenswerks“ in die Heimat schaufeln.

Dazu könnte das Ministerium für Infrastruktur, Technologie und Verkehr passen, das ihm angeblich geschneidert werden soll. Das wäre zwar weniger renommiert als das Außenressort, aber als Chef der kleinsten Koalitionspartei (7,4 Prozent) kann sich Stoiber sein „Superministerium“ nicht beliebig aussuchen. Der Außenministerposten geht wohl an den Zweitplatzierten, die SPD.

Ungeklärt ist bisher auch die Nachfolge in München. Von einem „Geheimplan“ fabulierte gestern die Bild-Zeitung: Der bisherige Innenminister Günther Beckstein solle Ministerpräsident werden. Wirklich neu ist diese Spekulation nicht – zumal auch Staatskanzlei-Chef Erwin Huber immer noch Ambitionen auf den Spitzenposten nachgesagt werden. Allerdings boxte Huber Stoibers Sparpolitik durch und machte sich damit wenig Freunde. Und er strickte gemeinsam mit der CDU das Unions-Wahlprogramm – dafür steht er nun in der Kritik. In die hinteren Reihen wird Huber deswegen zwar nicht treten, aber fürs erste Glied dürfte es auch nicht reichen. Watschn hat auch CSU-General Markus Söder schon bekommen. „Es ist mir wurscht, was der Söder glaubt, sagen zu müssen – ich will wissen, was die CSU sagt“, polterte der langjährige Landtagspräsident Johann Böhm (CSU) kurz nach der Wahl.

Nachfolgefrage hin oder her – für den Oppositionsführer im bayerischen Landtag, Franz Maget, wäre Stoibers Wechsel in die Hauptstadt ein klares Signal: „Wenn er sich jetzt für Berlin entscheidet, stiehlt er sich davon vor den Problemen in Bayern.“ Wichtiger noch als die Personenfrage sei aber, dass sich der Kurs ändere: „Wir brauchen mehr soziale Verantwortung und eine Haushaltspolitik, die mehr kennt als nur Kürzungen.“ Und nicht zuletzt brauche es ein Kabinett, das „wieder gemäß der verfassungsgemäßen Ressortzuteilung und unabhängig von Stoibers Büchsenspannern in der Staatskanzlei“ regiert, so Magets Wunsch.

Ob der in Erfüllung geht, hängt auch von den Koalitionsverhandlungen ab. Nur wenn Stoiber nach Berlin geht und ein eigenständiger Kopf in die Staatskanzlei einzieht, wird sich der Arbeitsstil im Landeskabinett ändern können. Und sollte Beckstein nachrücken, bleibt abzuwarten, ob sein Statement zum Thema Führungsstil ernst gemeint war oder nur fränkischer Spott: „Nachdem Stoiber noch nichts gesagt hat, weiß ich nicht, was mein Wille ist.“

MAX HÄGLER