LeserInnenbriefe
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Ungewolltes

betr.: „Der weite Weg zur Abtreibung“, taz vom 6. 3. 17

Liebe tazler_innen! Verstehe ich den Tenor der Reportage richtig, ist es ein Skandal, dass Abtreibung noch nicht zur ortsnahen Grundversorgung gehört, sondern dass es im Gegenteil immer noch durch NS-Ideologie und Christentum verblendetes medizinisches Personal gibt, dass einfach keine Abtreibungen machen möchte. Stattdessen werden Frauen bevormundet, ihnen werden Steine in den Weg gelegt und der Vorgang des Schwangerschaftsabbruchs tabuisiert.

Nur um es klarzustellen: Ich bin politisch links, lese seit über zwanzig Jahren die taz und lehne die „Lebensschützer“ selbstverständlich ab. Aber bei allem Verständnis für das Recht auf Abtreibung fehlt mir bei der umfangreichen Berichterstattung zum Thema der Hinweis darauf, dass das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch nun doch eine andere Dimension enthält als das Recht, sich einen störenden Leberfleck wegmachen zu lassen! Aus diesem Grund halte ich die Notwendigkeit der Beratung sowie die Dreitagefrist für durchaus sinnvoll.

Ich schätze an der taz die Annäherung an ein Thema aus vielen Perspektiven: Ungewollt ist immer doof. Bei eurer intensiven Fokussierung auf ungewollte Schwangerschaften vermisse ich jedoch einen Blick auf die andere Seite, die der ungewollten Kinderlosigkeit. Wird diese andere Seite der Medaille mal thematisiert, wie neulich in dem Artikel zu der Kinderwunschmesse in Berlin, so hängt dem so ein leicht süffisantes Unverständnis an. Flankiert von den wiederkehrenden tragischen Beiträgen zum Tabu der „bereuten Mutterschaft“ („regretting motherhood“) und den Macchiato-Müttern, drängt sich ein wenig der Verdacht auf, dass in der Redaktion zwar große Sympathie für jede denkbare sexuelle Selbstverwirklichung vorhanden ist, aber die profane – durchaus zufriedene – Kleinfamilie im Reihenhaus in Stadtrandlage irgendwie religions- und faschismusverdächtig, zumindest aber total spießig ist. Liebe Leute, kommt doch mal raus aus eurer Kreuzberger Blase! Die Welt ist bunter, und es gibt ganz viele Lebensrealitäten dazwischen.

ELISABETH PETERSEN, Berlin

Die Charismatiker Falle

betr.: „In der Erdoğan-Falle“, taz vom 6. 3. 17

Für uns Lebende erscheint die politische Lage (das Zusammenleben der Nationen) verworren. Das ist nicht neu und ging vielen Generationen vor uns gleich. Dennoch, was geht in uns Bürgern vor, wenn Charismatiker vom Schlage Trump, Erdoğan, Orbán, Kaczyński, Wilders, Le Pen so viele Follower finden? Hat die Gesellschaftspsychologie das nicht im Blick? Oder ist es einfacher so zu erklären, dass im Zuge der Kapitalkonzentration die Abgehängten die 50 Prozent übersteigen und damit Wirtschaftsform und politische Struktur, die Wahldemokratie, auseinanderdriften? Gleichzeitig läuft die Zeitspanne ab, in der der Klimawandel noch zu steuern ist. So werden die gegenwärtigen Probleme durch viel größere Gefahren relativiert. Sir Nicholas Stern hat 2006 in seinem Report für die britische Regierung darauf hingewiesen, dass die Vermeidung des durch menschliches Handeln verursachten Klimawandels zehn mal billiger ist als die Kosten der Folgeschäden.

K. WARZECHA, Wiesbaden

Auch Katzen sind durchschaubar

betr.: „Das Rätsel Katze“, taz vom 6. 3. 17

Lieber Adrian Schulz! Wer sich mit Katzen ernsthaft befasst, wird sie nicht länger für sooo rätselhaft halten. Ich lebe mit einem Kater zusammen, ein Freiläufer, der nachts harmlos im Bett schläft, tagsüber auch. Sein Verhalten ist selten gänzlich undurchschaubar. Die gern angeführte Rätselhaftigkeit der Katzen ist eine gepflegte Bequemlichkeit. Und das noch: Auch Katzen beißen! Und wie! Auch Katzen stinken. Sie verteilen beim Vorgang, der Putzen genannt wird, nur ihre Spucke im Fell. Und Katzenhalter, die das Schreien eines Amseljungen kalt lässt, kenne ich nicht, aber viele, die ihre Katze dann lieber nicht kennen würden. Tiere sind wie wir, sie sind so, wie sie sind. Sie können ziemlich doof sein, freundlich, friedlich, fies und sehr angenehme Mitbewohner. Es gibt keinen Grund zum Bashing, weder bei Hunden noch bei Katzen. CLAUDIA TOLL, SPRINGE-BENNIGSEN

Gute Langzeitgenesung!

betr.: „Ein bisschen schräg“, taz vom 7. 3. 17

„Langzeitkrank“ sind nicht die Langzeitarbeitslosen, langzeitkrank ist vielmehr:

– das Bild vieler Personalverantwortlicher von Menschen ab spätestens 50, im krassen Gegensatz zur Lebensarbeitszeit;

– die (leider legitime) Praxis mancher Unternehmen, von der Agentur für Arbeit Zuschüsse für diese Altersgruppe anzunehmen und immer wieder frisch Subventionierte einzustellen;

– das Verkaufen einer Konzernabteilung an ein kurz darauf in den Konkurs gehendes Unternehmen;

– die Arbeitsmarktstatistik (wer sich über die „guten Zahlen“ freut, möge genauer hinschauen und versuchen, von vielen dieser Entgelte zu leben);

– das Hartz-IV-System und das „Separieren“ von hart arbeitenden Menschen und „anderen“.

Zum Glück werden bisweilen auch Langzeitkranke gesund. Allen erwähnten PatientInnen wünsche ich sofortige und dauerhafte Genesung! PETRA GROSSE-STOLTENBERG, Hattingen