Disziplin bremst Entwicklung

HAUSHALT Trotz Kritik auch aus den eigenen Reihen kürzt die schwarz-gelbe Koalition den Etat für die Entwicklungshilfe – und bricht damit ihre internationalen Zusagen

Minister Niebel will sich nicht an „taktischen Spielchen der Opposition“ beteiligen

AUS BERLIN MALTE KREUTZFELDT

Am Ende war die Koalitionsdisziplin stärker als die eigene Überzeugung: Union und FDP haben am Mittwochabend durchgesetzt, dass der Etat des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit erstmals seit Jahren real sinkt. Damit ist die ohnehin schon unwahrscheinliche Zusage Deutschlands, bis 2015 einen Anteil von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe bereitzustellen, endgültig nicht mehr erreichbar. Zu diesem Ziel hatten sich Union und FDP im Koalitionsvertrag ausdrücklich bekannt. Derzeit liegt die Quote bei 0,4 Prozent.

Der Haushaltsentwurf der Regierung hatte zunächst einen Anstieg des Entwicklungshilfe-Etats um 37 Millionen Euro vorgesehen; der Haushaltsausschuss hatte stattdessen jedoch eine Kürzung um 86 Millionen Euro auf knapp 6,3 Milliarden Euro beschlossen. Hintergrund war, dass Gelder, die auf europäischer Ebene nicht benötigt wurden, überwiegend nicht für andere Entwicklungsprojekte verwendet, sondern eingespart wurden. Das war auch in der Koalition auf scharfe Kritik gestoßen – Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hatte von einem „herben Rückschlag“ gesprochen, die CSU-Entwicklungspolitikerin Dagmar Wöhrl von „Irrsinn“.

Die Opposition hatte darum gehofft, die Kürzungen noch verhindern zu können, und kurzerhand die Rückkehr zum ursprünglichen Regierungsentwurf zur Abstimmung gestellt – verbunden mit eindringlichen Appellen: „Es wäre ein fatales Signal, wenn Deutschland nicht zu seinen internationalen Verpflichtungen steht“, sagte Bärbel Kofler (SPD). „Ich bitte Sie, Ihrer Überzeugung zu folgen“, rief Thilo Hoppe (Grüne) seinen Kollegen zu. Niema Movassat (Linke) erinnerte an das Versprechen im Koalitionsvertrag.

Doch die Fachpolitiker von Union und FDP, von denen viele im vergangenen Jahr in einem „entwicklungspolitischen Konsens“ noch einen Anstieg des Etats in Milliardenhöhe gefordert hatten, wagten mehrheitlich keinen Aufstand. Nur fünf Unionsabgeordnete, darunter neben Wöhrl auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christian Ruck, enthielten sich; die übrigen stimmten zu – mit diversen Argumenten.

Volkmar Klein (CDU) sagte, dass ein Teil der Mittel lediglich in den Etat des Auswärtigen Amtes verschoben würde; darum sei es „keine Kürzung, sondern eine Stagnation“. Helga Daub (FDP) sagte, dass auch Haushaltskonsolidierung ein „lohnendes Ziel“ sei – und verstieg sich zu der Aussage, wenn Deutschland nicht aufpasse, „dann sind es vielleicht bald wir, die der Entwicklungszusammenarbeit mit anderen Ländern bedürfen“.

Niebel ergriff als zuständiger Minister in der Debatte nicht das Wort. In einer persönlichen Erklärung zur Abstimmung räumte der FDP-Politiker aber ein, dass Deutschland „dem selbst gesteckten Anspruch so nicht mehr gerecht werden kann“. Dass er trotzdem für die Kürzung seines eigenen Etats stimmte, begründete der Minister so: Er wolle sich nicht an „taktischen Spielchen der Opposition“ beteiligen, erklärte Niebel. Gegen solche Argumente haben internationale Versprechen der Bundesregierung offenbar keine Chance.