Politelefantenparade zum Dresdner Finale

Die Stadt erlebt kurz vor der Bundestagsnachwahl politische Aufmerksamkeit in ungekannten Ausmaßen

DRESDEN taz ■ In Dresden werden die freien Masten für Wahlplakate knapp. Wenige Tage vor der Bundestags-Nachwahl am 2. Oktober wird eine Hälfte der Stadt regelrecht zugeklebt. Neu und auffällig sind die schwarz-gelben Plakate, die an die Farben der lokalen Fußballmannschaft Dynamo Dresden erinnern.

Sie fordern dazu auf, mit der Erststimme den CDU-Direktkandidaten Andreas Lämmel und mit der Zweitstimme die FDP zu wählen. Die Union verspricht sich von einem Sieg bei den Erststimmen ein viertes Überhangmandat. Und die Westerwelle-Partei hat als einzige eine reale Chance, über die Zweitstimmen das Sitzverhältnis im Bundestag noch geringfügig zu verändern. Könnte sie knapp 24.000 der 219.000 Wahlberechtigten von sich überzeugen, gewänne sie auf Kosten der Grünen ein Mandat hinzu.

Die persönliche Präsenz der Berliner „Elefanten“ in Dresden erweckt den Eindruck, als würde die Frage der stärksten Fraktion und damit die Kanzlerfrage hier noch entschieden. Der Schlussspurt begann mit Wolfgang Thierse (SPD). Gestern wiederholten Gregor Gysi und Oskar Lafontaine ihren Auftritt für die Linkspartei. Heute schlagen die Liberalen mit Westerwelle, Wolfgang Gerhardt und Cornelia Pieper zu. Die Grünen bieten Renate Künast auf, die CDU den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff. Für die NPD hat heute der Ex-Republikanerchef Franz Schönhuber seinen großen Auftritt als Direktkandidat. Das Finale bestreiten morgen Noch-Kanzler Schröder und Möchtegern-Kanzlerin Merkel.

Wahlforscher erwarten indes keinen wesentlichen Einfluss auf das Bundestagswahlergebnis mehr. Aus Union und SPD verlautet, man wolle mit Blick auf die wahrscheinliche große Koalition aggressive Töne vermeiden. So werden in Dresden wohl vor allem Prestigekämpfe ausgetragen – um die Verhandlungspositionen zu verbessern. Einer Umfrage zufolge liegt die Union sowohl bei den Erst- als auch bei den Zweitstimmen knapp vor der SPD.

So steht ein ähnliches Ergebnis wie 2002 in der Größenordnung um die 30 Prozent für beide in Aussicht. Die Dresdner reagieren teils belustigt, teils frustriert auf die Aufmerksamkeit, die ihnen zuteil wird. Für Heiterkeit und Verwirrung sorgte auch eine gefälschte Absage der Nachwahl, die in zahlreichen Briefkästen auftauchte. Jeder fünfte Wahlberechtigte hat Briefwahlunterlagen angefordert und sich damit unabhängig vom Wahlkampf bereits festgelegt.

MICHAEL BARTSCH