„Hier sind Frauen gleichberechtigt“

Frauenrechte Die Bremerin Songül Aslan engagiert sich beruflich und ehrenamtlich für geflüchtete Frauen und ermuntert sie, ihre Rechte einzufordern

InTERVIEW Karolina Meyer-Schilf

taz: Frau Aslan, was ist das Wichtigste, das Sie Frauen in Ihrer Arbeit vermitteln wollen?

Songül Aslan:Ich erzähle den Frauen immer, dass ich auch bei null angefangen habe, und ich glaube, dass es ihnen Mut macht. Dabei versuche ich, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, aktivierend tätig zu sein.

Mit welchem Hintergrund sind Sie nach Deutschland gekommen?

Ich komme aus Dersim in Ostanatolien, habe kurdisch-alevitische Wurzeln. Aus einem kleinen Dorf, in dem es keinerlei Technik und nicht mal Strom gab. Ich bin aber selbst sehr offen aufgewachsen. Ich hatte eine sehr starke Mutter, die immer sagte: Frauen müssen sich bilden. Sie war selbst Analphabetin, aber eine starke Frau.

Was haben Sie sich von Deutschland erhofft?

Bildung. Frauenrechte, Selbstbestimmungsrechte waren für mich entscheidende Punkte. Ich habe diese Bildungschancen hier wirklich sehr genossen.

Was sind die größten Hürden für Frauen, die jetzt als Flüchtlinge hier angekommen sind?

Die Frauen haben auf der Flucht zum Teil schlimme Dinge erlebt. Sie sind belästigt worden, missbraucht worden, haben Angehörige verloren, das stelle ich mir sehr, sehr schwer vor. Diese Frauen haben oftmals viele Traumata erlitten.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation in der Flüchtlingspolitik?

Wir sind sehr humanitär hier, das schätze ich sehr, aber wir müssen uns auch anschauen, welche Werte die Menschen teilen, die zu uns kommen. Gerade wenn man an Frauenrechte denkt: In Staaten wie etwa Afghanistan haben Frauen keine Rechte. Viele Männer kennen es nicht anders und ich will sie nicht beschuldigen. Die Menschen brauchen unseren Schutz, sie kommen hierher, weil sie in Lebensgefahr waren. Aber wir müssen ein Konzept entwickeln, wie wir mit diesen Einstellungen umgehen können. Wie können wir ein Zeichen setzen und sagen: Hier sind Frauen anders. Hier sind Frauen gleichberechtigt. Wir können nie wissen, mit welchem Gepäck die Menschen hier ankommen. Aber wir können etwas dafür tun, dass sie diese Frauenrechte akzeptieren lernen.

Songül Aslan

Foto: Karolina Meyer-Schilf

49, ist Diplompädagogin und arbeitet in der Familienhilfe. Ehrenamtlich engagiert sie sich sowohl in der Alevitischen als auch in der Remberti-Gemeinde für geflüchtete Frauen und setzt sich für Frauenrechte ein.

Wie ermuntern sie die Frauen, ihre Rechte einzufordern?

Anfangs erlebt man oft, dass die Frauen ihren Mut verloren haben. Man muss ihnen sagen, dass sie etwas dafür tun können. Sie müssen aktiv werden, sie müssen ihre Rechte einfordern, sie müssen sagen: Ich bin ein Mensch, und das ist mein Recht. Es kommt immer darauf an, aus welchem Milieu sie kommen. Aber oft werden sie von Ehemännern oder der Familie kleingehalten. Es gibt Gruppen, die sehr, sehr weltoffen sind, aber es gibt auch einige, bei denen das nicht so ist.

Was wünschen Sie sich für die geflüchteten Frauen?

Frauen sind die am stärksten belastete Gruppe. Ich würde mir wünschen, dass man diesen Frauen einen Schutzraum schafft. Dass sie bei Bedarf Therapien bekommen. Man muss ihnen ein Willkommensgefühl vermitteln, damit sie erst mal zur Ruhe kommen können. Und mit Blick auf die Zukunft: Orientierung geben, dass sie jetzt nicht mehr in einem Land sind, in dem Frauen unterdrückt werden. Sie ermutigen. Sie sind in Sicherheit und das ist das Wichtigste, was man ihnen sagen kann.