LeserInnenbriefe
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Von Frauenverachtung strotzend

betr.: „Auf und an der Straße“, taz vom 1. 3. 17

Mit etwas Enttäuschung las ich den Artikel von Nora Bossong, in dem sie über das „Prostituiertenschutzgesetz“, das im Juli in Kraft treten wird, schreibt, es sei „ein Zeichen des Umdenkens, da nicht länger die Frauen, sondern die Freier und Zuhälter pönalisiert werden“.

Ich möchte Sie ganz freundlich darauf hinweisen, dass die Beschreibung nicht den Tatsachen entspricht. Erstens waren Zuhälter schon vorher „pönalisiert“. Ein einfacher Blick ins Strafgesetzbuch reicht. Zweitens werden Freier – so allgemein – nicht pönalisiert. Die Ausnahme: sie verwenden kein Kondom und die Sexarbeitende entscheidet sich, das anzuzeigen.

Drittens, und hier liegt wohl der größte Fehler: Sexarbeitende werden weiterhin und vielleicht noch mehr „pönalisiert“ als jetzt: Nicht nur bleibt der Paragraf „Ausübung der verbotenen Prostitution“ an bestimmten Orten oder zu bestimmten Tageszeiten im Strafgesetzbuch bestehen (davon sind jährlich ca. 1.500 Personen betroffen, darunter sind manche im Gefängnis). Nein, die Prostituierten, die sich aus guten Gründen nicht in einer bundesweiten Hurenliste eintragen lassen, werden illegalisiert und dafür mit Strafen bis zu 1.000 Euro belegt.

Und zuletzt ist das alles kein Richtungswechsel, sondern eine Rückkehr zum Reglementierungsmodell des 19. Jahrhunderts, indem Prostituierte unter Androhung von Strafen einer flächendeckenden, auch grund- und menschenrechtsverletzenden polizeilichen Überwachung unterstellt werden. Man beachte die Aufhebung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung für Prostituierte. Die Registrierung von Prostituierten ist ein Erbe Napoleons, das von Frauenverachtung nur so strotzt und daher zu Recht international als menschenverachtend gilt.

SONJA DOLINSEK, Berlin

Aberwitzige Summen für Rüstung

betr.: „Katastrophe mit Ansage“, taz vom 4./5. 3. 17

Der Artikel informiert, dass in ganz Ostafrika nach UN-Angaben 23 Millionen Menschen Lebensmittelhilfe brauchen, weil sie vom Hungertod bedroht sind. Und dass dafür 6,8 Milliarden Dollar Hilfsgelder nötig seien. Angesichts dieses Faktums klingt es doppelt wahnsinnig, dass die USA ihren Militäretat um 54 Milliarden jährlich erhöhen wollen. Zumal er bereits über 600 Milliarden Dollar jährlich beträgt. Nur gut 1 Prozent dieser aberwitzigen Summe würde also genügen, um die Not der Afrikaner zu lindern. Sie ist neben den dortigen Kriegen vor allem durch eine extreme Dürre verursacht.

Wenn Donald Trump nun auch mit Geld aus dem Umwelthaushalt den Militärhaushalt weiter aufstockt, so werden sich solche Naturkatastrophen bald wiederholen, so sicher wie das Amen in der Kirche. Am allertraurigsten ist, dass Ministerin Ursula von der Leyen bereits verkündet hat, auch „unseren“ Militäretat weiter zu erhöhen, der zurzeit bereits 37 Milliarden Euro jährlich beträgt. Als Reaktion sollten wir alle an den Ostermärschen teilnehmen. URSULA WÖLL, Wetzlar

Etwas verherrlichend

betr.: „Beaubourg, mon amour“, taz vom 2. 3. 17

Als Beaubourg entstanden ist, musste ein altes, geliebtes Viertel mitten im Herzen von Paris weichen. Das Projekt war damals sehr umstritten und die Pariser haben lange dagegen gekämpft. Davon ist leider keine Rede in dem Artikel, der in den „guten alten Zeit“ der Intellektuellen schwelgt. Etwas verherrlichend.

CATHERINE SZCZESNY, Horstedt-Stapel

Schöner Beitrag, aber …

betr.: „Läuft … und läuft und läuft. Warum wir das Fahrrad lieben“, taz vom 4./5. 3. 17

Schöner Beitrag, aber zwei Meilensteine der Fahrradentwicklung hätte Herr Rüttenauer doch auch erwähnen müssen: die Einführung der kugelgelagerten Präzisionsnaben Ende 1890 und die Erfindung der Freilaufnabe mit Rücktrittbremse, beides von Ernst Sachs in Schweinfurt. HERWIG SCHENK, Minden

Populisten auf den Leim gegangen

betr.: „Törichte Thesen“, taz-Leserbrief vom 1. 3. 17

„Törichte Thesen“ schreibt Leser Manfred Schulz und bezieht sich damit auf den Essay „Es ist immer auch Sprachpolitik“ von Christian Volk vom 25. Februar. Als Professor halte dieser wohl qua Einkommen „die soziale Frage“ für unwichtig, so der Leser.

Ich nahm den Brief zum Anlass, den betreffenden Text von Volk ein weiteres Mal zu lesen. Nachvollziehbar beschreibt er dort Mechanismen des rechten Populismus, die darauf zielen, argumentative Fronten zu eröffnen und demokratische Politik insgesamt zu diskreditieren. „Soziale Gerechtigkeit“ und „Antidiskriminierung“ als Gegensätze zu denken, identifiziert Volk als eine Falle, in die einige Linke derzeit nur zu gerne tappen. So offenbar auch der Schreiber des Leserbriefs. Daher lohnt sich wohl eine Wiederholung einer dieser „törichten“ Thesen: Antidiskriminierungspolitik ziele, so Volk, auf „angstfreie Verschiedenheit“.

Auch nach zweitem Lesen des Essays stellen sich mir denn auch Fragen von Diskriminierung und sozialer Gerechtigkeit als miteinander verwandt dar: Chancen für alle eröffnen, Chancen für alle erhalten, unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht, aber eben auch unabhängig von Einkommen oder Status beim Jobcenter. Mein Fazit: Wer da keine Parallelen entdecken kann ist den Populisten schon auf den Leim gegangen.

MAIKE SCHMIDT-GRABIA, Bremen