piwik no script img

Press-SchlagBasecaps für die Loser, Wünsche für alle anderen

Besonderheiten Ein Weltmeister wird zum Symbol der Vergeblichkeit menschlichen Strebens. Leverkusen ist der scheiternde Verein. Und Darmstadt? Ingolstadt? Die sind wir los

Der hinter uns liegende 23. Spieltag war ein wirklich besonderes Exemplar. Er knickte Karrieren, er beendete Fehleinschätzungen, ließ auf der anderen Seite aber auch neue Träume entstehen. Und er schuf ein Symbol für die Vergeblichkeit fußballerischen, ja vielleicht sogar menschlichen Strebens.

Der Name dieses Symbols ist natürlich Kevin Großkreutz. Der Mann, der heulend auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz seinen vorläufigen Rücktritt vom bezahlten Fußball erklärte, ist immerhin Weltmeister von 2014. Nun gut, er gewann den Titel, ohne auch nur eine Minute des Turniers mitspielen zu dürfen – aber da ist er nicht der Einzige seiner Art.

Um so fulminanter die Abwärtsspirale, die er seitdem hingelegt hat: Er nahm sich immer wieder das Recht auf Verhaltens­auffälligkeiten. 2014 urinierte er nach dem verlorenen DFB-Pokalfinale in die Lobby eines Berliner Hotels. Erst wenige Tage zuvor hatte er in Köln mit einem Döner nach einem Passanten geworfen. Auf der anderen Seite stellte er sich für einen Elfmeter ins Tor, nachdem sein Club bereits drei Mal ausgewechselt hatte. Und war Manns genug, seine Torwartkarriere gleich danach wieder zu beenden.

Galatasaray Istanbul war nicht in der Lage, den notwendigen Papierkram für einen Wechsel in die Türkei auszufüllen; also ging Großkreutz zum VfB Stuttgart, um sich dort bei einer nächtlichen Kneipentour mit Nachwuchsspielern des VfB verprügeln zu lassen.

Bei allem, was man gegen Großkreutz haben kann: In die tiefen moralischen Abgründe, wo Menschen wie Lothar Matthäus und Boris Becker mit schnell wechselnden, immer minderjähriger wirkenden Ehefrauen regieren und der staunenden Umwelt Delikte wie den „Samenraub“ nahebrachten, begab sich der ehemalige Nationalspieler nie.

Am besten wäre wohl eine Verschnaufpause, gefolgt von einem Comeback im Seitenflügel des Fußballwelt. Vielleicht bei dem Club eines gereiften Braunkohleoligarchen, zum Beispiel dem FK Dnipro Dnipropetrovsk?

Doch wechseln wir das Thema. Die Absteiger stehen fest. Darmstadt, Ingolstadt, war wirklich toll mit euch. Aber nun gehen die Ferien zu Ende. Die großen Jungs aus Hannover und Stuttgart wollen wieder mitspielen. Vielleicht sogar Union Berlin oder Eintracht Braunschweig. Putzt euch schön die Zähne, bevor ihr das Licht ausmacht. Vielleicht sieht man sich ja schon kommendes Jahr wieder. Und der Pokal hat sowieso seine eigenen Gesetze.

Das Mittelmaß der Liga wird weiterhin von Bayer Leverkusen dargestellt. Wer hinter denen steht, kämpft gegen den Abstieg, und davor fehlen nur wenige Punkte, um ein paar Mal pro Saison seine Koffer packen zu dürfen und irgendwo in den Niederungen der Europaliga-Vorrunde mitzuspielen. Oder in der Qualifikation. Oder so.

Leverkusen hat immer mal wieder versucht, gegen diesen Ruf des Durchschnittlichen anzukämpfen. Sogar den unrühmlichen Spottnamen „Vizekusen“ ließ man sich patentieren. Wofür eigentlich? Gibt es irgendwo Basecaps oder Shirts zu kaufen, auf denen „Vizekusen“ steht? Und wenn ja – an welcher Art seelischer Störung leiden eigentlich Fans, die so was durch die Gegend tragen?

Wichtig ist doch eigentlich nur, dass der Hamburger SV endlich einmal absteigt. Deren Fans werden auch nicht jünger, und ob die eine vierte Relegation hintereinander überstehen können? Und reicht es, ihnen aus ganzem Herzen das Beste zu wünschen? Und vor allem: Bleibt es eigentlich spannend, immer wieder den Dinosaurier zu geben? Obwohl: Solange Uwe Seeler lebt, so lange darf die Uhr im Volkspark ruhig weiterticken. Knud Kohr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen