Pfeffer mitten ins Gesicht

SPRÜH-ATTACKE Laut Innenbehörde hat die Polizei bei einer Hausbesetzung keine zu großen Pfeffersprayer eingesetzt. Ob der Abstand stimmte, prüft sie noch

Nach Angaben des Senats verfügt die Polizei über die drei Reizstoffsprühgeräte RSG 2, RSG 3 und RSG 4.

■ 6.497 Dosen Pfefferspray hat die Polizei seit 2011 beschafft. Der Verbrauch im Einsatz wird nicht erhoben.

■ 222.036,11 Euro hat die Polizei seit 2000 für Pfefferspray ausgegeben. Die höchsten Jahreseinkäufe waren 2002 unter dem rechtspopulistischen Innensenator Ronald Schill mit 25.087,53 Euro und 2011 unter SPD-Innensenator Michael Neumann mit 29.343,16 Euro zu verzeichnen.

Großkalibrige Pfeffersprayer, die es angeblich gar nicht gibt, soll die Hamburger Polizei bei der Demonstration gegen Wohnungsnot am 10. November auf St. Pauli eingesetzt haben. Diesen Verdacht hat die grüne Innenpolitikerin Antje Möller. Auf einem Video vom Polizeieinsatz in der Bleicherstraße ist der Einsatz von Pfeffersprühern zu sehen, „die deutlich größer zu sein scheinen“ als die offiziellen Sprühgeräte, so Möller. Zudem sei die Distanz „viel zu kurz“. Auf dem Video ist unter anderem zu sehen, wie Demonstranten aus weniger als einem Meter Entfernung ein kräftiger Strahl ins Gesicht gespritzt wird.

Der Pfeffersprayeinsatz mit den kleinen Reizstoffsprühgeräten (RSG) 2 und 3 „ist bei einer Distanz von unter einem Meter grundsätzlich unzulässig“, hat indes der Senat auf eine parlamentarische Anfrage von Möller geantwortet. Beim größeren Gerät RSG 4 liege die Mindestentfernung bei zwei Metern. Dabei sei der Strahl „zur angriffsstoppenden Wirkung direkt auf die bloße Haut des Gesichts zu richten (möglichst nicht direkt in die Augen)“, heißt es in der Senatsantwort. Auf dem Video aber wird passiven Demonstranten aus kürzester Entfernung mitten ins Gesicht gesprüht – mit einem Gerät, das ein sehr viel stärkeres RSG 8 sein könnte. Dieses aber gibt es laut Senatsantwort (siehe Kasten) bei der Hamburger Polizei gar nicht.

Unter dem Motto „Schlaflos in Hamburg – Mietenwahnsinn stoppen“ waren am Samstag vor zwei Wochen rund 4.500 Menschen aus der Innenstadt zur St. Pauli Hafenstraße gezogen, wo die Bewohner und Unterstützer der ehemals besetzten Häuser Jubiläum feierten. Parallel wurde das Haus in der Bleicherstraße 14 von einer zwölfköpfigen Gruppe besetzt. Die Aktivisten waren in das Haus eingedrungen und hatten Transparente mit „Friede den Hütten“ und „No Pasaran“ angebracht. Zwischen 19.24 Uhr und 19.32 Uhr wurde das Haus von der Polizei geräumt, so der Senat. Auf der Straße hätten dabei 20 Polizisten insgesamt 25 Mal Pfefferspray versprüht.

Die Innenbehörde erklärte auf Anfrage der taz, bei dem fraglichen Gerät handele es sich laut Herstellerangaben um ein RSG 8, das aber polizeiintern bundesweit RSG 4 genannt werde. Ob die dann erforderliche Mindestdistanz von zwei Metern eingehalten worden sei und eine Notwehrsituation für die Beamten vorgelegen habe, wollte die Behörde „nach einem ersten Blick auf das Video“ nicht bewerten. Das müsse „gründlicher geprüft werden“, so die Auskunft.SVEN-MICHAEL VEIT