CDU-Schulministerin lässt Rüttgers auflaufen

CDU-Ministerpräsident Rüttgers sorgt mit seiner sachlich falschen Bemerkung, in NRW müssten über 1.000 Schulen geschlossen werden, für einen Eklat. Sozialdemokraten fordern Entschuldigung, Grüne persönliche Stellungnahme

DÜSSELDORF taz ■ Nordrhein-Westfalens christdemokratische Schulministerin Barbara Sommer wird zur Belastung für CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers: Gestützt auf Zahlen aus Sommers Ministerium hatte Rüttgers behauptet, bereits heute würden „rund 770 Schulen zu schließen sein, darunter etwa 700 Grund- und 60 Hauptschulen“. Bis 2016 stünden aufgrund sinkender Schülerzahlen sogar über 1.300 Schulen vor dem Aus, so der Regierungschef.

Rüttgers‘ Problem: Die von ihm unter Verweis auf das von Rot-Grün verabschiedete Schulgesetz verkündeten Zahlen sind schlicht falsch. Zwar argumentiert Sommers Schulministerium mit Hinweis auf den Landesrechnungshof, Schulen müssten aus Kostengründen mindestens zwei Klassen pro Jahrgang haben. „Grundschulen müssen mindestens eine Klasse haben“, heißt es dagegen im Schulgesetz. Rüttgers‘ Horrorszenario ist damit hinfällig: Nur für Haupt- und Realschulen sind zwei, für Gesamtschulen vier Klassen als Mindestgröße vorgesehen.

Rüttgers müsse sich „in aller Form in der Öffentlichkeit und im Landtag für seinen Fehler entschuldigen“, fordert SPD-Oppositionsführerin Hannelore Kraft. Der Regierungschef habe mit seinen falschen Aussagen „Sorgen und Ängste ausgelöst“, die er persönlich ausräumen müsse.

Sozialdemokraten und Grüne ärgert besonders Rüttgers‘ Versuch, die Frage der Zwergschulen mit der vom kleinen Koalitionspartner FDP durchgesetzten Auflösung der Schulbezirke zu verbinden. Die Möglichkeit der Eltern, ihre Kinder ohne Rücksicht auf die Entfernung in jede Schule ihrer Wahl zu karren, sorge für Konkurrenz und könne so gute Schulen retten, hatte der Ministerpräsident argumentiert. „Gestern noch König der Zwergschulen“, sei Rüttgers zum „Gartenzwerg der Schulpolitik“ mutiert, höhnt Sylvia Löhrmann, Vorsitzende der grünen Landtagsfraktion, bereits. „Perfide versucht Rüttgers, von seiner falschen Schulpolitik abzulenken, die auch von kommunaler Seite massiv bekämpft wird“, so Löhrmann zur taz.

Auf Regierungsseite dagegen herrscht Verwirrung und Chaos. CDU-Schulministerin Sommer selbst musste gestern vor der Landespressekonferenz einräumen, dass keinesfalls über 1.000 Schulen geschlossen werden müssten. Doch trotz der katastrophalen Panne ihres Hauses gab die Ministerin die schlechte Verliererin und übte sich in Medienschelte: Sie habe in ihren 100 Tagen im Kabinett gelernt, dass in der Politik „Tage nicht wie geplant verlaufen“, kritisierte Sommer nicht korrekte Berichterstattung und das „Berufsethos der Presse“.

Unkoordiniert erscheint auch die Kommunikation zwischen Regierung und CDU-Landtagsfraktion. Während Sommer ihre Fehler zumindest indirekt einräumt, gibt CDU-Fraktionschef Helmut Stahl weiter den Hardliner und verweist auf allgemeine Ausführungsverordnungen zum Schulgesetz, die auch bei Grundschulen eine Zweizügigkeit mit mindestens zwei parallelen Klassen vorsehen. „Es ist wie immer: Das Kleingedruckte ist entscheidend“, tönt Stahl – und übersieht, dass bereits heute jede vierte der rund 6.800 Schulen in Nordrhein-Westfalen weniger als zwei Klassen pro Jahrgang hat.

SPD und Grüne wollen den Ministerpräsidenten und seine Schulministerin nun vor dem Schulausschuss des Landtags stellen. Bisher habe die Landesregierung „nicht den Mut, einen politischen Fehler einzugestehen“, sagt NRWs ehemalige Schulministerin Ute Schäfer (SPD). Rüttgers müsse erklären, wie er zu seinen „Falschaussagen“ gekommen sei, fordert auch Löhrmann: „Der Ministerpräsident muss Rede und Antwort stehen.“ ANDREAS WYPUTTA