Portrait
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George W. Bush: vom Lügner zum Verteidiger der Presse Foto: ap

Der plötzlich weise scheint

Das Verkünden von Binsenweisheiten kann positive Schlagzeilen machen. Das erfährt gerade der ehemalige US-Präsident George W. Bush (2001–09). Eine freie Presse, sagte er, sei notwendig, „um Leute wie mich zur Rechenschaft zu ziehen“. Die Attacken seines Nachnachfolgers Donald Trump, der die Medien in der vergangenen Woche mehrfach als „Feinde des amerikanischen Volkes“ bezeichnet hatte, wies Bush als kontraproduktiv zurück. Er habe viel Zeit damit verbracht, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Vorzüge einer freien Presse zu erklären, sagte Bush. Das sei aber nicht mehr möglich, wenn die US-Regierung die Medienfreiheit im eigenen Land attackiere.

Dass Bush zu Donald Trump auf Distanz geht, ist nicht neu. Nicht nur er, sondern die gesamte Bush-Familie hatte sich im vergangenen Jahr gegen Trump ausgesprochen – nicht zuletzt wegen der Schärfe, mit der dieser im Vorwahlkampf gegen George W.s Bruder Jeb Bush vorgegangen war.

Als besonderer Verfechter der Pressefreiheit ist allerdings während seiner Amtszeit auch George W. Bush nicht aufgefallen. Auch er – und die ihn unterstützenden Republikaner – warfen den Medien oft genug vor, links und voreingenommen zu sein.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 allerdings gab es dazu nicht mehr viel Anlass – nahezu gleichförmig berichteten die Medien damals positiv über den beginnenden „Krieg gegen den Terror“ und scharten sich willig hinter dem Kriegspräsidenten. Und das auch dann noch, als der begann, die USA auf der Grundlage eines Lügengebäudes in den zerstörerischen Irakkrieg gegen die erfundenen Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins zu führen. In der Situation traf zu, was Trump den Medien heute zu Unrecht vorwirft: Sie berichteten Fake News.

Die New York Times und andere Medien haben sich schon vor Jahren für ihre Vernachlässigung journalistischer Standards entschuldigt. George W. Bushs Entschuldigung für das Entfachen eines Krieges, der als Beginn des Flächenbrandes in der gesamten Region angesehen werden kann, steht bis heute noch aus. Bernd Pickert