Unsolidarische Gemeinschaft

Tagung in Hamburg: Medizinische Beratungsstelle für Flüchtlinge will Gesundheitsversorgung jenseits von Aufenthaltspapieren und Status entwickeln

Bürgerversicherung oder Kopfpauschale: Die aktuelle Debatte über eine Reform des Gesundheitswesens bezieht nur die Patienten mit ein, die als Mitglieder einer Krankenkasse Teil der „Solidargemeinschaft“ sind. Daneben haben Schätzungen zufolge weit über 100.000 Menschen in Deutschland nicht einmal Zugang zu medizinischer Versorgung – und die Zahl steigt an.

Um Möglichkeiten einer Gesundheitsversorgung jenseits von Aufenthaltspapieren und sozialem Status zu entwickeln, lädt die „medizinische Beratungsstelle Hamburg“ bis einschließlich Sonntag zu den „transkontinentalen Krankenkassentagen“: Im Altonaer Haus Drei berichten Referenten über die Gesundheitsversorgung in europäischen Nachbarstaaten, lokale Projekte für illegale Zuwanderer und die Rechte unversicherter Patienten sowie über die Rechtslage für behandelnde Mediziner.

Bislang waren es vor allem illegale Flüchtlinge, die ohne Papiere auch keinen Krankenschein bekamen. Inzwischen fallen auch immer mehr Erwerbslose oder gering verdienende Selbständige aus der Krankenkasse raus, weil sie sich die Beiträge nicht mehr leisten können. Die Lösung des Problems bleibt Ärzten, Psychologen, Krankengymnasten und anderen Therapeuten überlassen. Sie sehen sich individuell vor die Entscheidung gestellt, Patienten auch ohne Versicherung anzunehmen.

In Hamburg gibt es mit der medizinischen Beratungsstelle zumindest eine Anlaufstelle für Illegale, die ein Netzwerk mit Medizinern aufgebaut hat. In Berlin und Köln betreibt der Malteser Hilfsdienst die an konfessionelle Kliniken gebundene „Malteser Migranten Medizin“ für Menschen ohne Krankenversicherung. Dort brauchen die Patienten nicht einmal ihren Namen zu nennen. Wie groß der Bedarf nach anonymer Behandlung ist, lässt sich an den Besuchszahlen ablesen: In die Berliner Beratungsstelle, die seit vier Jahren besteht, kamen im ersten Jahr 215 Kranke und Schwangere zur Untersuchung. Im vorigen Jahr waren es 2.000 Patienten.

Derartige Projekte können jedoch eine flächendeckende staatliche Lösung nicht ersetzen. Darauf hat im August bereits der bundesweite Arbeitskreis „Migration und öffentliche Gesundheit“ hingewiesen, in dem neben der Bundesausländerbeauftragten Marieluise Beck Mitarbeiter von Gesundheitsämtern, Krankenhäusern, Krankenkassenverbänden und des Bundesgesundheitsministeriums sitzen. Deshalb fordern auch die Initiatoren der Tagung eine „transkontinentale Krankenkasse“, durch die alle Bürger Zugang zur Gesundheitsversorgung bekommen – wie es in anderen europäischen Ländern Alltag ist. Elke Spanner

Programm: www.fluechtlingsrat-hamburg.de