Multikulti für neue Jobs

Hamburger Arbeitsagentur freut sich über den Rückgang der örtlichen Arbeitslosenzahl – und lobt einen expandierenden Vorzeigemigranten

Die Botschaft lautet: Auch Migranten schaffen Arbeit

von Marco Carini

Ertan Celik ist wirklich jemand, den man als Vorzeigeunternehmer bezeichnen kann. Vor 15 Jahren mit einer kleinen Döner-Bude im Schanzenviertel gestartet, hat sich Celik inzwischen zum „Döner-König“ Hamburgs entwickelt. Sein Betrieb produziert täglich fünf Tonnen der mächtigen Fleischspieße, gibt 40 Hamburgern Arbeit und wird künftig – nach der Investition in eine beträchtliche Betriebserweiterung auf dem Fleischgroßmarkt – noch mehr Menschen in Lohn und Brot bringen.

Damit nicht genug: Der 37-Jährige, der seit 25 Jahren in der Hansestadt lebt, engagiert sich aktiv für die Menschenrechte in der Türkei, spendet fünfstellige Beträge für eine Kinderkrebsstation und bietet zudem noch Deutschkurse für Mitarbeiter des Fleischgroßmarkts an. Ein Mann ohne Makel.

So lag es wohl auf der Hand, dass der aus Ostanatolien stammende Celik gestern aus Anlass seiner Betriebserweiterung mit warmen Worten des Wirtschaftsbehörden-Staatsrats Gunther Bonz und des Leiters der örtlichen Arbeitsagentur, Rolf Steil, überschüttet wurde. Doch gut gemeint ist bekanntlich zumeist das Gegenteil von gut.

Denn das Lob, dass Celik es zum erfolgreichen Unternehmer gebracht habe, verdeckt, wie schwer es Menschen ohne deutschen Pass immer noch haben, auf dem hiesigen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Und des Staatsrats Satz, dass ihn die „Vielfalt von Kulturen und Menschen“ froh mache, „insbesondere wenn jemand besonderen Erfolg“ habe, hat etwas Verräterisches: Er nimmt die in vielen Köpfen zementierte Zweiteilung auf – zwischen guten Ausländern, die uns mit schönen Speisen, Steuern und Sozialabgaben bereichern und den bösen Ausländern, die uns nur auf der Tasche liegen.

Dass Celik nun als „lebender Beweis“ dafür herausgestellt wurde, dass tatsächlich auch Migranten Arbeit schaffen und für das Wirtschaftswachstum wichtig sind, mag den Unternehmer ehren. Wer aber das Selbstverständliche herausputzt, gibt ihm die Note des Besonderen. Brauchen wir wirklich „Vorzeigetürken“, um das Zusammenleben der Kulturen immer wieder aufs Neue zu rechtfertigen?

Auch Arbeitsagenturchef Rolf Steil spielte diese Klaviatur auf der gestrigen Betriebseinweihung, die mit türkischen Speisen und türkischer Musik glänzte, auf der ansonsten aber nur deutsch gesprochen wurde. So lieben wir die Ausländerintegration: Bringen uns kulinarische Köstlichkeiten, beachten aber bitte: Man spricht hier deutsch!

Hervorragend getimt brachte Steil frohe Kunde mit ins Festzelt. 2.000 Arbeitslose weniger als im Vormonat verzeichnet die gestern veröffentlichte Hamburger September-Statistik und damit einen Rückgang der Erwerbslosenzahl auf unter 100.000. Und die Abnahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten war im Vorjahr mit 0,3 Prozent in Hamburg geringer als in allen anderen Bundesländern.

Für diesen relativen Erfolg können Celik und seine migrierten Kollegen kaum allein verantwortlich zeichnen. So müssen wir also die gestrige frohe Botschaft erweitern: Auch Deutsche sind wichtig für das Wirtschaftswachstum.

Das war doch klar? Ach so!