Aufenthalt in weiter Ferne

Tausende Afghanen beantragen neues Bleiberecht. Doch der CDU-Senat hat unüberwindbare Hürden gelegt: Obwohl die Flüchtlinge kaum arbeiten dürfen, wird abgeschoben, wer seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreitet. GAL fordert Korrektur

von Eva Weikert

Die Zeit ist abgelaufen: Vergangene Woche endete die Antragsfrist für das neue Bleiberecht, das der CDU-Senat seit kurzem Afghanistan-Flüchtlingen in Aussicht stellt. Wie die Ausländerbehörde gestern mitteilte, haben „weit mehr als 2.000“ der rund 3.000 hier nur geduldeten Afghanen das Ersuchen auf unbefristeten Aufenthalt eingereicht. Die Anforderungen sind aber so hoch, dass ihr Begehren kaum Erfolgsaussicht hat. Das beklagt Anwalt Thorsten Buschbeck, der hunderte Antragssteller betreut. Die geforderten wirtschaftlichen Voraussetzungen „sind unfair und schlicht nicht zu erfüllen“, rügt er. Auch die GAL-Opposition ist alarmiert und verlangt Korrekturen.

Die Innenministerkonferenz (IMK) hatte im Juni beschlossen, Abschiebungen nach Afghanistan könnten starten. Zugleich verabschiedete die IMK „Grundsätze“ eines Bleiberechts für Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland. In Hamburg leben rund 15.000 Afghanen, zwei Drittel haben einen festen Aufenthalt, 2.000 befinden sich im Asylverfahren, die Übrigen haben den unsicheren Duldungsstatus und müssen jederzeit mit Abschiebung rechnen.

Nach dem IMK-Beschluss können die Ausländerbehörden für vor dem 24. Juni 1999 Eingereiste „weiteren Aufenthalt zulassen“. Aussicht zu bleiben hat aber nur, wer am Stichtag 26. Juni 2005 seit zwei Jahren eine feste Arbeit hatte und seinen Lebensunterhalt ohne zusätzliche Sozialleistungen bestreiten konnte.

Die Hamburger Ausländerbehörde errechne den Mindestbedarf, der zu erwirtschaften ist, aus dem Sozialhilfesatz zuzüglich Mietkosten, erklärt Sprecher Norbert Smekal. Wer bleiben möchte, muss demnach 517 Euro zuzüglich Unterkunftskosten aus eigener Kraft aufbringen können.

„Diese Hürde ist nicht zu nehmen“, warnt Anwalt Buschbeck. Den Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können, setze Arbeit voraus. Geduldete dürfen in der Hansestadt aber nur mit spezieller Erlaubnis von der Arbeitsagentur jobben – maximal zwei Stunden täglich. Wenn überhaupt eine Beschäftigung zu bekommen ist, dann höchstens ein 400-Euro-Job, weiß Buschbeck. Die Hamburger Bedarfsberechnung sei darum „ein Unding“.

Auszubildende, Familien mit Kindern und Alleinerziehende behandelt der Senat zwar schonender: Ihnen stellt er auch bei vorübergehendem Stützebezug ein Bleiberecht in Aussicht. Doch „echte Ausnahmen sind das kaum“, kritisiert Buschbeck: Berufsausbildung ist Duldungsinhabern ohnehin versperrt. Und bei Alleinerziehenden zeigt der Senat nur Gnade, wenn eine Arbeitsaufnahme aufgrund eines Kindes unter drei Jahren „nicht zumutbar ist“.

Auch die GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Antje Möller warnt: „Geduldeten wird es nahezu unmöglich gemacht, zu arbeiten.“ Neben der zeitlichen Begrenzung minimierten die neuen Ein-Euro-Jobs für Langzeitarbeitslose das klägliche Arbeitsangebot für diese Gruppe. Den Senat fordert die Grüne auf, bei Prüfung eines Bleiberechts diese „erschwerte Situation zu berücksichtigen“.

Möller kritisiert zudem, dass die Behörde bei der Berechnung des Mindestbedarfs überholte Sozialhilfesätze zugrunde legt, die höher sind als der mit Hartz IV eingeführte 345-Euro-Regelsatz. „Es muss auch für Hamburg der aktuelle Satz angewendet werden, der höhere alte darf nicht mehr gelten“, fordert sie.

Die Behörde beruft sich indes auf den IMK-Beschluss: „Der gibt die Sicherung des Lebensunterhaltes als Bedingung für ein Bleiberecht vor“, sagt Smekal. „Und Hamburg interpretiert das so.“