Lehre ohne Lehrer

Weil im Wissenschaftsetat der kommenden fünf Jahre 100 Millionen Euro fehlen, werden an den Bremer Hochschulen keine neuen Professoren mehr berufen. Schon drohen Lücken im Lehrplan fürs Wintersemester. Der Proteststurm bleibt bislang aus

„Wir fürchten um den guten Ruf den Universität“, sagt Uni-Sprecher Kai Uwe Bohn

Bremen taz ■ Die Bremer Hochschulen haben mit Zurückhaltung auf die neuesten Sparvorgaben des Wissenschaftsressorts reagiert. Rund 100 Millionen Euro fehlen in den Etatplanungen der kommenden fünf Jahre, schreibt Senator Willi Lemke (SPD) in einem Brief an alle Bremer Hochschulrektoren. Alle Stellenausschreibungen und Berufungen von ProfessorInnen wurden deshalb zunächst auf Eis gelegt.

Wie viele BewerberInnen oder Studiengänge aktuell betroffen sind, könne man „nicht quantifizieren“, heißt es aus der Hochschule Bremen. „Das wissen wir nicht“, so Sprecher Ulrich Berlin. An der Uni Bremen hingegen sind „fast alle“ Fachbereiche von der Entscheidung des Ressorts betroffen, betont ihr Sprecher Kai Uwe Bohn. Dennoch bleibt auch hier die Protestwelle zunächst aus – Rektor Wilfried Müller verweist auf einen offenen Brief, den er schon im Mai an alle Bremer HochschulpolitikerInnen versandt hat.

Acht ProfessorInnen können derzeit nicht an die Uni Bremen berufen werden – obwohl sie schon fest für das kommende Wintersemester verplant waren. Betroffen sind die Rechts-, Politik- und Musikwissenschaften, die Psychologie, Soziologie und Biologie sowie die Elektrotechnik. Weitere sieben Professuren stünden derzeit noch auf dem Prüfstand, so Bohn. Berufen wird nur, wenn das Wissenschaftsressort davon überzeugt ist, dass der jeweilige Lehrstuhl „für das Studienangebot unverzichtbar“ ist. So hat es der Senator in seinem Brief formuliert.

Konkrete Sparbeschlüsse seien jedoch noch nicht gefasst, sagt Ressortsprecher Rainer Gausepohl. Man habe lediglich „rechtzeitig signalisieren“ wollen, dass man künftig „vorsichtiger“ mit Berufungen umgehe. Der Senatorenbrief indes macht klare Vorgaben: Dem Wissenschaftsplan 2005 bis 2010 werden voraussichtlich pro Jahr 20 Millionen Euro fehlen – bei einem Gesamtetat von 1,6 Milliarden Euro für die fünf Jahre, der zu knapp 80 Prozent den Hochschulen zugute kommt.

Trotz dieser Zahlen will sich die Hochschule Bremen nicht an konkreten Sparüberlegungen beteiligen. Man erwarte „konkrete Vorgaben“ vom Ressort, welche Kürzungen zu erbringen seien. Für die Uni Bremen, so ihr Sprecher Bohn, sei das Sparpotenzial hingegen „ausgereizt“. Jede weitere Kürzung gefährde die Reputation der Uni Bremen, vor allem der akademische Mittelbau sei nun in Gefahr. Die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen aber erbringen einen Großteil der Forschungsleistungen – und haben immer nur befristete Arbeitsverträge.

Vor allem die Geisteswissenschaften könnten „klein gekocht“ werden, fürchtet die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Silvia Schön. Der Senatorenbrief komme einer „Bankrotterklärung“ gleich, so Schön, schließlich wende Bremen schon jetzt nur 250 Euro pro EinwohnerIn und Jahr für seine Hochschulen auf – Hannover hingegen gebe 850 Euro aus.

„Die Grenze der Existenzfähigkeit ist erreicht“, warnt der Rektor der Hochschule Bremerhaven, Josef Stockemer. „Wir sind schon jetzt dramatisch unterfinanziert“. In der Medizintechnik etwa oder in den Lebensmittelwissenschaften fehlten schon heute zwei von fünf benötigten Professorenstellen. „Der status quo muss erhalten bleiben.“

Bei der CDU sieht man das ganz anders. 100 Millionen Euro – „das ist gerade mal ein Sechzehntel des Etats“, rechnet CDU-Sprecher Jochen Wagner vor. „Das muss zu machen sein.“ mnz