Scherf: Meine großen Erfolge

Scherfs Vermächtnis: „Was zu tun ist“ habe er „zunehmend klarer durchdacht“, behauptet Scherf: „Ich habe es nun aufgeschrieben.“ Das 42 Seiten-Heft ist eine Kollage aus Behörden-Papieren mit vielen Ideen – die Scherf alle nicht umgesetzt hat

Bremen taz ■ „Dies ist eine Einladung. Eine Einladung zur Diskussion. Eine Einladung zum Mitdenken.“ Mit diesen Worten beginnt ein 42 Seiten dickes Papier, das Bremens langjähriger Bürgermeister Henning Scherf zum Abschied vorgelegt hat (www.mehr-dazu.de). Er wolle ein „Bild von Bremen zeichnen“, eine „Bilanz aus vielen Erfahrungen und Begegnungen“.

Nach der Bilanz seiner zehnjährigen Arbeit im Rathaus sucht man aber vergebens in dem Papier. Rund 20 Seiten scheinen aus der Feder des früheren Finanzstaatsrates Günter Dannemann zu stammen und enthalten eine nüchterne Darstellung der Finanzlage Bremens und der Argumentation gegen die Auflösung des Städtestaates. Nüchtern wird festgestellt, dass im Bremischen Staatshaushalt drei Milliarden Euro Einnahmen jedes Jahr circa vier Milliarden Ausgaben gegenüberstehen. Auch die Infrastruktur-Investitionen werden angesprochen, die Bremen mit der Sanierungshilfe finanziert hat und die bisher nichts gebracht haben für die Sanierung der Staatsfinanzen. „Es ist wie bei einem Gärtner, der einen Baum pflanzt“, tröstet sich Scherf, „die vollen Früchte wird erst die nächste Generation ernten.“ Dannemanns Folie mit der der Zins-Steuer-Spirale in den nächsten zehn Jahren (abwärts!), die diesen Trost zunichte machen könnte, fehlt an dieser Stelle. Problemzonen wie der Space Park werden peinlich verschwiegen und der Abschnitt endet mit dem Ausruf: „Wir sind mit großen Schritten angekommen im dritten Jahrtausend.“ Zum Beweis für den großen Wert der Bremer Selbständigkeit werden drei Projekte angeführt – die aber alle in die Zeit vor Henning Scherf fallen: Die Gründung der Universität, die Ansiedlung von Mercedes Benz und die Sicherung der Stahlwerke.

Auch die meisten anderen Abschnitte des Papieres, das Scherf als sein Vermächtnis vorstellt, stammen offensichtlich aus fremden Federn. Da wird die „Zukunftsoffensive Bremerhaven“ in bunten Farben dargestellt, die über die wirkliche Misere Bremerhavens hinweghelfen. Wie konnte es passieren, dass in Hoffnung auf den großen Ocean Park des noch größeren Projektentwicklers Jürg Köllmann wertvolle Jahre in Bremerhaven verloren worden sind? Selbstkritische Elemente gibt es nicht in Scherfs Bremen-Bild.

Scherf will die „Kluft zwischen Wünschbarem und Bezahlbarem“ austarieren, die Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben im Bremer Haushalt nicht zu Lasten der „Kluft in der Gesellschaft“ schließen. Solche schönen Sätze werfen die Frage auf, was Scherf als langjähriger Sozialsenator denn gemacht hat und warum es zu einer vollkommenen Umsteuerung „seiner“ früheren Sozialpolitik zuletzt unter Karin Röpke gekommen ist. Scherf hält ein großes Plädoyer für die ehrenamtliche Arbeit, das aus der Feder seines früheren Pressesprechers und derzeitigen Leiters der Heimstiftung, Alexander Künzel, stammen könnte, ohne aber die nahe liegende Frage aufzuwerfen, warum er in jahrelanger Regierungsverantwortung die Strukturen dafür nicht geschaffen hat. Ebenso sein Plädoyer für die Entbürokratisierung. Er will die „Stärkung von Beiräten“, der Senat unter seiner Führung hat sich aber immer geweigert, Macht abzugeben an die Beiräte. Mancher wird sich an den erbitterten Widerstand der Sozialbehörde unter Scherf erinnern, dezentralisierte Sozialzentren auf Beiratsebene einzurichten. Das Scherf-Papier lobt ausdrücklich die Bildungspolitik von Willi Lemke – die doch fast alles auf den Kopf gestellt hat, was der Amtsvorgänger, Bildungssenator Scherf, hinterlassen hatte.

Am Ende steht ein wolkig formuliertes Lob der Selbständigkeit – als Haltung und als Programm für Bremen. Die Finanzlage und das Scheitern der großen Koalition an der Sanierungsaufgabe ist auf Seite 42 längst vergessen. Klaus Wolschner