Gigantischer Spaß

Auf seiner neuen CD gibt Jason Forrest souverän den zitierwütigen Breakcore-Reiter zwischen allen Fronten

Der Künstler Jeff Koons sollte mal damit beauftragt werden, eine Skulptur zu Jason Forrests Musik anzufertigen. Als Ergebnis stelle man sich ein porzellanenes Füllhorn vor, voll mit Blumen und Giftpilzen, comichaften Trotteltieren und nackten Leibern, Baby-Bel-Käse und schimmelnden Bananenschalen, E-Gitarren und Leierkästen. So ungefähr. Alles, einfach alles auf einem Haufen – aber so, dass man kaum noch merkt, wie viele Dinge da versammelt sind, denn alles ist rund und glänzt und passt.

Wunder- und übervoll, schrecklich schön, ein gigantischer Spaß. Jason Forrest hat ein hochbegabtes Auswahlhändchen für die beglückendsten Parts aus den schrecklichsten Erzeugnissen der Popgeschichte – das ist spätestens seit seinem Debütalbum „The Unrelenting Songs Of The 1979 Post Disco Crash“ klar. Betrieb er darauf noch die schier undenkbare Synthese von Discofieber und Gitarrensolo, ist er eigentlich erst jetzt in der Post-Disco-Phase angekommen. Die Kurzbeschreibung von „Shamelessly Exciting“ könnte sich in etwa so lesen: Ein Country-Cowboy reitet auf einem Breakcore-Sattel Richtung Sixties-Beat-Lagerfeuer, sein Jimi-Hendrix-Afro steht im Wind, längs seines Weges reihen sich die Fernseher aus Aphex Twins „Come To Daddy“-Video. Am Feuer kommen Shirley Bassey, Salt'n'Pepa, Gerry Rafferty und ein unbekannter Freejazz-Trompeter auf eine Zigarettenzuglänge vorbei, doch schon blasen Queen wieder zum Aufbruch, und bei der Ankunft auf der heimatlichen Ranch haben die Sex Pistols zusammen mit den Ramones, den Stiff Little Fingers und Plastic Bertrand schon mal die Grillsau ausgeweidet.

Kurz: Jason Forrest näht einen unglaublichen Versatzstück-Teppich zusammen. Die Masse an benutztem Samplematerial dürfte sich bei dem neuen Album im Vergleich zum alten verdoppelt haben. Das führt aber nicht dazu, dass alles auseinander fliegt – der Wahlberliner scheint in den letzten anderthalb Jahren seine kunsthandwerklichen Fertigkeiten trainiert zu haben: Die Schnipsel sind mit einer Feinheit verkettelt, der es nicht mehr um effektvoll gesetzte Brüche, sondern fast um eine organische Poppigkeit geht.

Es gibt sogar einen richtig durchkomponierten Song auf dem Album, den die amerikanische Chanteuse Laura Cantrell eingesungen hat. Den hätte es zwar nicht wirklich gebraucht – und ein derart geschmackstransgressives Ding wie die Gabber-Zumutung „Respect The Cock“, die Forrest für den letzten „Wasted“-Breakcore-Sampler beisteuerte, fehlt auf dem Album. Bleiben trotzdem nur zwei Optionen beim Zuhören: Es dem Meister gleichtun und versuchen, in gesteigerter Glückseligkeit zuckend ein paar Extremitäten abzuschütteln. Oder mit verkopften Freunden in einen beizeiten auch sehr befriedigenden Sample-Erkenn-Wettbewerb einzusteigen. Letztere Möglichkeit entfällt, wenn Jason Forrest live auf der Bühne vor einem steht.

KIRSTEN RIESSELMANN

Release Party, heute in der Maria am Ostbahnhof, mit Jason Forrest, Liars (New York), DJ Elephant Power (Brüssel) und Next Life (Oslo); „Shamelessly Exciting“ erscheint am 4. 10. bei Sonig/Rough Trade