Mysteriöses Froschsterben

Ein Pilz aus Südafrika ist mitverantwortlich für weltweites Massensterben von Amphibien. Ein südafrikanisch-australisches Forscherteam vermutet, dass „lebende Schwangerschaftstests“ für die weltweite Ausbreitung des Pilzes verantwortlich sind

VON WOLFGANG LÖHR

Die Bilanz ist erschreckend: Keine andere Tiergruppe ist weltweit so stark gefährdet wie die Amphibien. Ein Drittel aller Blindwühlen, Frosch- und Schwanzlurche sind nach Angaben des World Wide Fund (WWF) akut vom Aussterben bedroht. Bei den Vögeln sind es nur 12 Prozent der Arten, die bedroht sind, und bei den Säugetieren 23 Prozent.

In Washington trafen sich jetzt Experten des Global Amphibian Assessments, um über Gegenmaßnahmen zu beraten. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 400 Millionen Euro notwendig sind, um dem Amphibiensterben ein Ende zu setzen. Vorgesehen sind unter anderem spezielle Züchtungsprogramme und Erhaltungsmaßnahmen für die bedrohten Lebensräume der Tiere.

Eine weltweite Bestandsaufnahme unter der Regie der World Conservation Union (IUCN) zeigte, dass von den derzeit bekannten 5.743 Blindwühlen, Frosch- und Schwanzlurchen, die gemeinsam die Gruppe der Amphibien bilden, seit 1980 schon neun Arten gänzlich ausgelöscht sind. Von weiteren 113 Arten wird vermutet, dass sie in der „freien Wildbahn“ nicht mehr vorhanden sind: Seit Jahren wurden sie von Forschern nicht mehr gesichtet.

Über die Ursachen des Artensterbens wird schon seit längerem spekuliert. Sowohl das Verschwinden von Laichgewässern als auch der zunehmende Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln in der Landwirtschaft werden vom WWF als die Hauptgründe genannt. Vermutet wird auch, dass die zunehmende UV-Einstrahlung die dafür besonders empfindlichen Kaulquappen vernichtet.

Gefährdet sind Amphibienarten auch durch Krankheitserreger. So wird vermutet, dass mehrere mysteriöse Massensterben von Fröschen, vor allem in Amerika und Australien, vereinzelt auch in Europa auf einen Pilz mit dem wissenschaftlichen Namen Batrachochytrium dendrobatidis zurückzuführen ist. Der Pilz aus der Familie der Chytridiomyceten befällt die Haut der Frösche und löst diese auf. Für die überwiegende Mehrzahl der Tiere ist die als Chytridiomykose bezeichnete Infektionskrankheit tödlich.

Vor sechs Jahren erst kam die Pilzerkrankung als Todesursache der Frösche in das Visier der Amphibienforscher. Seitdem wurde viel darüber spekuliert, wo der Pilz seinen Ursprung hat. Ein südafrikanisch-australisches Forscherteam hat seine Spur verfolgt und ist in Südafrika fündig geworden. Das Forscherteam untersuchte fast 600 Präparate des Großen Krallenfroschs, Xenopus laevis, die 1938 in verschiedenen südafrikanischen Museen eingelagert wurden. Das Ergebnis: Bei über 2,5 Prozent der Tiere konnten die Forscher den Chytrid-Erreger nachweisen. Es ist der derzeit älteste Nachweis des Pilzes überhaupt.

Die Forscher vermuten, dass der Große Krallenfrosch auch dafür verantwortlich ist, dass der Pilz sich in anderen Kontinenten breit machen konnte. Seit den 30er- und 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurden nämlich tausende des ursprünglich nur im Süden Afrikas beheimateten Krallenfroschs in alle Welt ausgeführt. Erst waren es nur einige wenige Tiere, die für Forschungszwecke exportiert wurden; ab Mitte der 30er-Jahre wurden die Krallenfrösche dann ausgiebig als „lebender Schwangerschaftstest“ genutzt. Um zu prüfen, ob eine Frau schwanger ist, wurde den Fröschen der Morgenurin unter die Haut gespritzt. War die Frau schwanger, lösten die in dem Urin vorhandenen Hormone bei den weiblichen Fröschen eine Eiablage aus, bei den männlichen Fröschen hingegen kam es zu einer vermehrten Spermienproduktion. Da diese Tests auch häufig von Apotheken angeboten wurden, nannte man die Krallenfrösche auch Apothekerfrösche.

Seit dieser Zeit sind die Großen Krallenfrösche auch in europäischen, australischen und amerikanischen Seen und Sümpfen zu finden. Vermutet wird, dass mit den Fröschen auch der Chytrid-Erreger weltweit verbreitet wurde. Als „Transportvehikel“ sind die Krallenfrösche jedenfalls bestens geeignet. Denn im Gegensatz zu den Fröschen auf den anderen Kontinenten zeigen sie keine Krankheitssymptome bei einer Pilzinfektion. Sie sind immun gegen den Chytrid-Erreger.