Kritik der Woche: NSU im Nationaltheater Bremen
: Ein Problem der Form

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von Benno Schirrmeister

Um drei Einsichten kommt man am NSU-Abend des Deutschen Nationaltheater Bremen (DNTB) mit Sitz im Gastfeld, einer Eckkneipe in der Neustadt nicht herum: Erst mal ist es schön, dort beim Frischgezapften gemeinsam mit lieben Fremden einer Performance beizuwohnen. Dann macht der Abend klar, warum das DNTB schon nach zweieinhalb Monaten eine wichtige Institution ist für Bremen: Generalintendant Peer Gahmert erweist sich als jemand, der aus der Relevanz seines Sujets den Antrieb bezieht, sich auf die Bühne zu stellen, statt ein Theater zu pflegen, das aus dem Drang zur Selbstdarstellung deren Bedeutung behauptet.

Die dritte Einsicht ist weniger erfreulich: Das DNTB stößt noch zu schnell an seine Grenzen, wenn es ein so präsentes Thema wie die Geschichte vom NSU-Terror einschließlich der dazugehörigen Ermittlungspannen aufgreift. Dazu gibt’s von der gespenstischen, in Bremen uraufgeführten Performance „Untergrund“ des Kollektivs Internil e. V. über die Braunschweiger Doku-Stückentwicklung „Unter Drei“ von Mareike Mikat bis hin zum furiosen „rein gold“-Dialog Elfriede Jelineks auf vielen Levels darstellerische Formgebung. Dagegen könnte man sich durch radikalen Verzicht auf Gestaltung behaupten, was ja durchaus DNTB-Konzept ist: Durch den wortgetreuen Vortrag von Björn Höckes Dresdner Rede deren Obszönität auszustellen ist stark, weil die Quelle so unverfälscht bleibt.

Beim NSU-Abend greift Gahmert aber leider auf eine triviale Rahmenfiktion zurück: Er sitzt im Sessel, die Bühne simuliert ein Wohzimmer, und ihm gegenüber hat sein Satirezeitungs-Kompagnon Philipp Feldhusen Platz genommen. Der, darstellerisch radikal unbegabt, soll so tun, als wäre er stumpf überzeugt vom Funktionieren der Sicherheitsbehörden, während ihm Gahmert deren Totalversagen vorträgt: Okay, wer davon nichts weiß, kriegt’s hier serviert. Aber jenseits davon wirkt die Aufführung hilflos – und im pathetischen Schluss auf peinliche Weise dilettantisch.

Denn ja, es ist gut, den Brief vorzutragen, in dem Ayşen Taşköprü, die Schwester des 2001 in Hamburg ermordeten Süleyman Taşköprü, Bundespräsident Joachim Gauck erklärt, warum es nicht an ihm ist, für ein Treffen mit den Angehörigen der NSU-Opfer die Bedingungen zu diktieren – und ihre Teilnahme absagt. Dieser Brief sollte wirklich immer und immer wieder vorgelesen werden. Das Minimum an Respekt der Verfasserin gegenüber gebietet aber, die Aussprache ihres Namens zu recherchieren.

Voraussichtlich wieder am 24. 3., www.dntb.de