: Gymnasium liegt knapp vorn
Lernen Noch immer melden mehr Eltern ihre Kinder auf dem Gymnasium als an der Stadtteilschule an. Doch Flüchtlingsfamilien sorgen für eine ganz zarte Trendwende
von Kaija Kutter
Diese Zahl wird stets im Februar mit Bangen erwartet: Wie viele Eltern schicken ihr Kind zum Gymnasium und wie viele zur Stadtteilschule? Die Schulbehörde meldete nun am Mittwoch eine zarte Trendwende. So sei der Anteil der Gymnasiasten gegenüber dem Vorjahr um 0,3 Prozent zurückgegangen, von 54,5 auf 54,2 Prozent. Die Stadtteilschulen hätten dazugewonnen, mit 45,8 gegenüber 45,5 Prozent im Vorjahr.
Nun sind 0,3 Prozent nicht viel, aber im Streit über die richtige Schulstruktur fällt auch ein Zehntelprozent in die Waagschale. Kletterten doch die Anteile seit Jahren stets nur in Richtung Gymnasium, sodass besorgte Stadtteilschulleiter für 2020 den Gymnasien bereits 70 Prozent Anteil prognostizierten. Das 2009 eingeführte Modell zweier gleichberechtigter Schul-Säulen wäre damit kaputt.
Die Opposition schäumte, weil Schulsenator Ties Rabe (SPD) diese Zahlen am späten Nachmittag bekanntgab, und ihnen so keine Zeit für eigene Reaktionen ließ. So spricht CDU-Politikerin Karin Prien von „statistischen Tricks“, weil die Behörde bei den an die Medien herausgegeben Rechnungen einfach die 169 Anmeldungen der vier sechsjährigen Grundschulen den Stadtteilschulen zuteilte. Dabei ist bei diesen Kindern, die erst mit Klasse 7 auf weiterführende Schulen wechseln, ganz offen, welche Säule sie letztlich wählen werden. Ohne diese 169 Kinder fällt die Rechnung anders aus, gehen 54,8 Prozent aufs Gymnasium und 45,1 Prozent zur Stadtteilschule.
Die Schulbehörde machte noch eine Nebenrechnung auf: könnten doch nun erstmals wieder ohne Probleme Schüler aus dem Umland angemeldet werden. Rechne man diese 217 „Gastschüler“ heraus, liege das Gymnasium bei 54 Prozent. Die Stadtteilschule stehe mit 46 Prozent noch besser da.
An den Stadtteilschulenwurden 6.121 angemeldet (Vorjahr: 5.891).
An den Gymnasienwurden 7.441 (Vorjahr: 7.212) angemeldet.
Im Rahmen des Schulversuchssechsjährige Grundschule werden 169 Schüler bleiben (Vorjahr: 142) und noch nicht auf eine weiterführende wechseln.
Beliebteste Stadtteilschulen sind die Gyula-Trebitsch-Schule mit 213, die Heinrich-Hertz-Schule mit 205, die Julius-Leber-Schule und Goethe-Schule-Harburg mit je 204 Anmeldungen.
Beliebteste Gymnasien sind Ohmoor mit 189, Rahlstedt mit 173, das Matthias-Claudius-Gymnasium mit 160 und das Gymnasium Süderelbe mit 142 Anmeldungen.
Für die 1. Klasse angemeldet wurden bisher 14.282 Kinder. Die meisten an der Louise-Schroeder- (149) sowie an der Adolph-Schönfelder- und der Fridtjof-Nansen-Schule mit je 138.
Über 700 Kinder wurden noch nicht angemeldet.
Doch man könnte ebenso die neu hinzugekommen Flüchtlingsschüler gesondert betrachten. Hier ließen sich statistische Sondereffekte erwarten, vermutet Karin Prien. Die Schulbehörde hat diese Zahlen parat. Aber erst am Dienstag hatte Rabe die allgemeine Schulstatistik vorgestellt. Dabei erwähnte er, dass im vergangenen Schuljahr knapp 992 Schüler mit Fluchthintergrund in Regelklassen aufgenommen wurden, davon 80 Prozent an der Stadtteilschule und 20 am Gymnasium. Ohne diese Kinder läge die Gymnasium-Quote deutlich über 55 Prozent. Auch dieser Effekt hilft vermutlich dem Schulsenator aus der Patsche.
Doch auch so gibt es Schelte. Die jetzigen Zahlen seien „keine Trendwende“, sagt Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus (Die Linke). Rabe habe „bei der Stärkung der Stadtteilschule versagt“. Die Anmeldungen für das Gymnasium seien „zu hoch“, sagt auch die Parteilose Dora Heyenn. Sie verweist darauf, dass die beliebtesten Schulen Gyula Trebitsch und Heinrich Hertz jene sind, die einen Gymnasial- und Stadtteilschulzweig führen und ihn in der Oberstufe vereinen. Das Modell sollte Rabe „in der Stadt ausweiten“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen