Wer hat mehr Biss?

Wohnen Kaum hat Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) die ersten wohnungspolitischen Eckpfeiler eingeschlagen, treten Berlins große und kleine Immobilienhaie in den Machtkampf mit dem Senat. In der einen Ecke die privatwirtschaftlichen Unternehmen, in der anderen die landeseigenen Gesellschaften.Ein Angriff von zwei Seiten

Fotos: [Montage] getty images. Darmer/Davids

Attacke der privaten Vermieter

Nein, der Zahn wurde nicht gezogen bei der Anhörung im Abgeordnetenhaus zum Thema „Deutsche Wohnen“. Michael Zahn, Chef des mit 107.000 Wohnungen größten privaten Vermieters in Berlin, hatte sich entschuldigen lassen und seine Pressesprecherin geschickt. Die sprach im Vorfeld von einer Showveranstaltung, die der Bauausschuss am Mittwoch abhalten wolle.

Da hat sich offenbar etwas aufgestaut zwischen dem Parlament und der Deutsche Wohnen. Tatsächlich war die Gesellschaft, die unter anderem die 55.000 Wohnungen der einst landeseigenen GSW gekauft hat und stolz auf ihre Welterbesiedlungen ist, immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Kaputte Heizungen, teure Modernisierungen, die Weigerung, den Mietspiegel anzuerkennen: Kein Vermieter testet derzeit so sehr seine Grenzen aus wie die Deutsche Wohnen.

Und ein Ende ist nicht in Sicht. „Ich habe Zweifel daran, dass der Mietspiegel in Berlin nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt wird“, erneuerte die Deutsche-Wohnen-Sprecherin Manuela Damianakis ihre Kritik. Die ehemalige Sprecherin von Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) bemängelte etwa, dass der Mietspiegel in Neukölln trotz des geschlossenen Flughafens Tempelhof immer noch eine einfache Wohnlage ausweist.

Der Angriff auf den Mietspiegel kommt nicht von ungefähr. Laut Mietrecht darf eine Mieterhöhung die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschreiten. In Berlin wird dieser Wert vom Mietspiegel definiert, der wegen der vielen Neuvermietungen, die in ihn einfließen, ohnehin schon zu hohe Vergleichsmieten ausweist. Aber nicht einmal das reicht der Deutsche Wohnen. „Sie wollen die ortsübliche Vergleichsmiete selbst definieren“, warf Mietervereinschef Reiner Wild Damianakis vor. „Das ist ein selbstherrliches Unterfangen.“

Für den Mieteraktivisten Rouzbeh Taheri steht der Angriff auf den Mietspiegel im Zusammenhang mit der Geschäftsstrategie der Deutsche Wohnen. „Für Sie ist der Mieterwechsel die beste Strategie, um Einnahmen zu erzielen“, sagte Taheri im Beisein von Mietern der Otto-Suhr-Siedlung, die zuletzt teure Mieterhöhungen bekommen hatten.

Schwere Vorwürfe. Das Problem ist nur: Anders als bei einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft ist die Politik bei einem privaten Vermieter auf freiwilliges Einlenken angewiesen. Und auf die Rechtsprechung. Darauf wies Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) hin. „Alle Klagen der Deutsche Wohnen sind bisher nicht erfolgreich gewesen“, sagte sie. Zähne ziehen müssen bei Privaten also die Richter, die Politik darf nur „anhören“. Uwe Rada

Rebellion der landeseigenen Vermieter

Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sind das wichtigste Instrument für Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke), um für eine soziale Wohnraumversorgung zu sorgen und die Miet­erhöhungsspirale zu brechen. So weit die Theorie. Doch die Unternehmen handeln nach ihrer eigenen Logik, vielleicht sogar in bewusster Opposition.

Ungeachtet der neuen politischen Leitlinien verschickten die sechs Gesellschaften im Januar Tausende Mieterhöhungen, auch für Sozialwohnungen. Ein Affront, den sich Lompscher und ihr für Finanzen zuständiger Senatskollege Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) nicht gefallen ließen. Sie drängten die Gesellschaften, bis zum Abschluss einer Kooperationsvereinbarung auf Mieterhöhungen zu verzichten und bereits ausgesprochene Bescheide zu überprüfen.

Dass die Spielräume der Unternehmen damit nicht gänzlich eingeschränkt sind, zeigt ein Fall in der Siedlung am Mariannenplatz. Dort erhöhte die Degewo die Mieten ihrer Sozialwohnungen um satte 51 Cent pro Quadratmeter. Bereits am Sonntag fanden sich 120 betroffene Mieter zu einer Versammlung ein, am Dienstag hielten sie eine Kundgebung ab. „Viele sind verzweifelt, das ist eine sehr arme Gegend“, so Ulrike Hamann von der Mieterinitiative Kotti & Co.

In einem Mieterhöhungsschreiben begründet die Degewo die Anhebung mit einer „Ausnahmeregelung“, die 2011 vom damaligen Senator Michael Müller (SPD) erlassen wurde. Zur Finanzierung der Rückzahlung der einst beim Land aufgenommenen Darlehen – für den Bau von Sozialwohnungen – dürfen die Unternehmen die Mieten jährlich um 13 Cent pro Quadratmeter anheben. Mit dem Erlass wurde ihnen eingeräumt, dies auch nach Ablösung der Darlehen zu tun. Ein Geschenk: Denn Mehrkosten haben sie ohne die jährlich steigenden Darlehenskosten nicht. Die Wohnungen in der Siedlung Mariannenplatz fielen bereits 2009 bis 2012 aus dieser Bindung.

In den vergangenen vier Jahren verzichtete die Degewo auf die Erhöhung, nun holt sie diese auf einen Schlag nach: 13 Cent pro Quadratmeter für die Jahre 2013 bis 2016. Ob sie das darf, ist umstritten. Laut einer Sprecherin der Senatsverwaltung wurde Müllers Weisung längst wieder aufgehoben: „Im März 2016 haben wir diese Mieterhöhungsmöglichkeit abgeschafft.“ Bei der Degewo heißt es dagegen, abgeschafft wurde die Möglichkeit einer vorzeitigen Darlehensablösung, ihre Mieterhöhung sei rechtens.

Klar wird: Die kommunalen Wohnungsbauunternehmen nutzen ihre vermeintlichen Möglichkeiten – auch gegen die Interessen der Mieter. Sie auf Sozialkurs zu bringen wird für den Senat eine heikle Aufgabe. Erik Peter