Große Koalition, große Krise
: KOMMENTAR VON KLAUS WOLSCHNER

Henning Scherf hat seinen Rücktritt im engsten Parteikreis schon vor Wochen für die Zeit nach der Bundestagswahl angekündigt. Der Hinweis auf seinen bevorstehenden 67. Geburtstag allein kann ihn nicht erklären – Scherf hatte vor einem Jahr per Radiointerview von einer Segeltour genau das Gegenteil angekündigt, nämlich bei der Neuwahl 2007 noch einmal antreten zu wollen. In der Zwischenzeit lag vor allem das ergebnislose Gespräch mit dem Bundeskanzler im Januar 2005, von dem sich Scherf dauerhafte Finanzhilfe für das Bundesland versprochen hatte. Scherf kam mit leeren Händen wieder – das Land Bremen ist pleite und keine Hilfe in Sicht.

Er habe, schreibt Scherf in seinem Rücktrittsbrief an die SPD, „in den vergangenen Monaten immer klarer durchdacht“, was „nach meiner Auffassung in unserem immer noch hoch verschuldeten Land zu tun ist“. Das Ergebnis ist ein 42 Seiten dickes Papier, das, von Scherf offenbar eigenhändig nur zusammengeklebt, ganz verschiedene Handschriften zeigt – und einen ratlos lässt. Als Bilanz von zehn Jahren großer Koalition gelesen zieht es eine vernichtende Bilanz. Scherf liefert ein Sammelsurium guten Willens und schöner Ideen über Dinge, die man machen könnte. Fragt sich, warum Scherf sie in seinen 27 Jahren in der Bremer Landesregierung nicht umgesetzt hat.

Die große Koalition unter Scherf hat das Ziel nicht erreicht, das sie sich vor zehn Jahren gesetzt hat und das ihre Rechtfertigung war – für ein Regierungsbündnis, das ohne Not die parlamentarische Opposition in Bremen marginalisiert hat. Das Sanierungsgeld aus Berlin ist weg. Und der scheidende Regierungschef hat keinen konkreten Vorschlag, wie seine Nachfolger mit der Lage umgehen sollen. Hatte Scherf vor einem Jahr noch Tatkraft und Hoffnung versprüht und erklärt, er wolle für Bremen „arbeiten“, so verweist er jetzt nur noch auf sein Alter. „Wir müssen Auswege, Alternativen und neue Ansätze finden …“, ist seine Botschaft: „Sprechen wir miteinander darüber.“

In den kommenden Wochen steht in Bremen der Etat für 2006 und 2007 zur Verhandlung – die ersten Haushaltsberatungen nach dem offiziellen Scheitern der Sanierung. Scherf will sie aus der Perspektive des Rentners erleben.