: Doppelte Win-win-Situation
BUNDESLIGA Nach einem fulminanten 1:1-Unentschieden wähnen sich sowohl Klaus Allofs’ neuer Klub VfL Wolfsburg als auch sein ehemaliger Klub Werder Bremen auf dem richtigen Weg
AUS WOLFSBURG PETER UNFRIED
Man kann ja viel sagen gegen Diego Ribas da Cunha, genannt Diego. Aber wie der brasilianische Kreativfußballer gegen Werder Bremen den Wolfsburger Ausgleich zum 1:1 initiierte, das war ein reifes Stück Fußball. Überhaupt gab es in der Arena nach dem Ende des verunglückten Sequels „Magath II“ zum zweiten Mal hintereinander richtigen Fußball zu sehen – von beiden Mannschaften. Das hat sogar den Oberflächenreiz in den Hintergrund gedrängt, ob und wie der neue Wolfsburger Fußballchef Klaus Allofs gegen jenes Team jubeln würde, bei dem er 13 gute Jahre hatte.
Es war die Schlüsselszene des Spiels, als Werders linker Verteidiger Lukas Schmitz – fälschlicherweise, wie die Fernsehbilder zeigten – mit einer gelb-roten Karte vom Platz flog (62.). Trainer Thomas Schaaf fuchtelte zur Bank, Linksaußen Eljero Elia begab sich interimsweise in die Verteidigerposition, aber das ist einfach nicht seine Sache. Diego spielte binnen Sekunden den letalen Pass in die Schnittstelle neben Elia; der eingewechselte Vieirinha passte zur Mitte, und Keilstürmer Bas Dost war zur Stelle (64.) Elia stand hinterher bedröppelt in der Mixed Zone und sagte, dass er wohl nicht so gut positioniert gewesen sei. Schaaf regte sich über Schiedsrichter Markus Schmidt auf, ohne dessen Namen zu nennen. „Unfassbar“ sei der Platzverweis gewesen. Auch sein starker Kapitän Aaron Hunt war relativ sicher, dass Bremen das Spiel zu elft gewonnen hätte. Grundsätzlich wähnt sich Werder aber auf einem guten Weg. „Man sieht, dass die Mannschaft an das glaubt, was sie spielt“, sagte Schaaf. Recht hatte er.
Werder hatte die erste Hälfte mit kompakter Defensive dominiert und einem cleveren Konterspiel, das Hunt und der hochtalentierte Kevin de Bruyne abwechselnd oder zusammen initiierten. Es basierte darauf, die Schnelligkeit der Flügelspieler Elia und Mario Arnautovic auszunutzen. Entsprechend fiel das 0:1 durch Arnautovic (35.), als Wolfsburg nach seinem zweiten Pfostentreffer, einem Kopfball von Dost, nicht schnell genug umschaltete. Der wackelige Rechtsverteidiger Fagner versäumte es, Elia herunterzubremsen, wie Interimstrainer Lorenz-Günther Köstner es ihn doch geheißen hatte.
Aus Wolfsburger Sicht wurde dem VfL ein Handelfmeter verweigert und hätte man das Spiel nach dem Ausgleich gewinnen müssen, als man gegen zehn Bremer relativ entschlossen anrannte, bis dem herausragenden Diego die Kräfte ausgingen. Köstner sagte, er sei nach dem 0:1 „selbst gespannt“ gewesen, wie das Team reagieren würde, das er nun vier Wochen trainiert. Die Reaktion war sehr überzeugend, findet er. Und eventuellen Mäklern hielt er prophylaktisch entgegen, man müsse „verdammt noch mal auch mal mit einem Punkt zufrieden sein“.
Ist ja was dran: Der VfL hatte ja mit Felix Magath grade mal fünf Punkte aus acht Partien geholt und mit ihm nun stattliche zehn aus fünf Spielen. Plus ein Pokalspiel gewonnen. Köstner hat jetzt sechsmal mit derselben Anfangsformation gespielt, das ist ein echter Paradigmenwechsel gegenüber Magath und es sieht so aus, als griffen nun ein paar brauchbare Automatismen und man wisse besser, wie Diego vernünftig ins Spiel zu bringen ist. Das tut ihm gut und dem Offensivspiel auch. Dadurch wird Dost langsam warm. „Ich bekomme jetzt mehr Bälle und mehr Chancen“, sagte er, „da kann ich auch Tore machen.“ Dost, 23, für sieben Millionen Euro aus Heerenveen gekommen, wirkt nicht mehr so hüftsteif wie zu Saisonbeginn. Er verbuchte gegen Werder seinen sechsten Saisontreffer. Fünf davon fielen, seit Köstner coacht.
Das Tor war für Dost ein „Teamgoal“. Er sei „gekommen, um Tore zu machen“, sagte er nach dem Spiel und auf die Frage, ob er auf die Torjägerliste schaue: „Immer“. Er lachte dabei, aber es war kein Witz. Und wie war es denn für Thomas Schaaf ohne seinen Weggefährten Klaus Allofs? Tja. Darüber hätte man sich „drumherum sehr viele Gedanken gemacht“, brummte Schaaf. Er dagegen habe sich „relativ wenige“ gemacht. Als man Köstner fragte, was ihm denn sein neuer Chef über den SV Werder erzählt hatte, huschte ein Lächeln über Schaafs Gesicht. Und er rief: „Jetzt bin ich gespannt.“