Jean-Claude Juncker wirft schon jetzt die Flinte ins Korn

Union Der EU-Kommissionschef will nicht erneut antreten – aus Frust über Merkel und den Brexit

Indirekt kritisiert Juncker auch Kanz­lerin Angela Merkel

BRÜSSEL taz | Jean-Claude Juncker hat sich lange gegen den Vorwurf gewehrt, er sei angeschlagen und amtsmüde. Doch nun scheint ihn der Mut verlassen zu haben: Er werde „nicht noch einmal antreten“, sagte der 62-Jährige dem Deutschlandfunk. Zur Begründung verwies er auf den Brexit – und auf den mangelnden Zusammenhalt der EU-Staaten. Eine Spaltung des Staatenbundes fürchtet Juncker. „Die Briten wissen schon sehr genau, wie sie das in Angriff nehmen können“, sagte er. „Man verspricht dem Land A dieses und man verspricht dem Land B jenes und man verspricht dem Land C etwas anderes.“

Diese Einschätzung überrascht. EU-Kommissar Michel Barnier will den Brexit rechtzeitig vor der nächsten Europawahl 2019 über die Bühne bringen. Für Juncker wäre das eine gute Gelegenheit, die EU mit dann 27 Staaten neu aufzustellen und noch einmal zu kandidieren. Doch offenbar glaubt er nicht mehr an einen Neubeginn. Er sei es leid, dass die Regierungen der EU-Staaten ständig die Verantwortung nach Brüssel abschieben, sagte Juncker. Es zeuge von „institutioneller Feigheit“, dass viele EU-Politiker zu Hause genau jene Entscheidungen kritisieren, die sie in Brüssel selbst getroffen haben.

Indirekt kritisiert Juncker auch Kanzlerin Angela Merkel. Sie hat sich für ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten ausgesprochen. Doch ein flexibles Vorgehen sei auch jetzt schon möglich, so der Kommissionschef. Er sei nicht „generell und prinzipiell dagegen, dies zu tun“, so Juncker. „Ich hätte nur gerne, dass man das Europa mehrerer Geschwindigkeiten etwas präzisiert.“ Außerdem müsse Deutschland seine Haltung zu Griechenland ändern, so Juncker. Die „Tonlage“ gefalle ihm nicht.

Berlin hatte beim Schuldenstreit mit Athen 2015 den Ton angegeben und Juncker in die Schranken gewiesen. Ein weiterer Rückschlag für den Kommissionschef war der Streit um das Handelsabkommen Ceta. Berlin setzte durch, dass alle nationalen Parlamente zustimmen müssen. Der Kommission blieb nur die Nebenrolle. Eric Bonse