„Sackdoof ist Erdoğan“ bleibt erlaubt

Urteil Böhmermann-Gedicht zu drei Vierteln verboten

HAMBURG taz | Das Landgericht Hamburg hat dem Satiriker Jan Böhmermann untersagt, 18 von 24 Zeilen seines Gedichts „Schmähkritik“ zu wiederholen. Es bestätigte damit seine einstweilige Verfügung vom Mai 2016. Böhmermann hatte für diesen Fall schon im Vorfeld angekündigt, in Berufung zu gehen.

Böhmermann hatte das Gedicht Ende März 2016 in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ vorgetragen. Dort heißt es unter anderem, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan „Ziegen fickt“ und „Kinderpornos schaut“. Erdoğan klagte auf Unterlassung. Das Gedicht reproduziere rassistische Vorurteile gegenüber Türken und verletzte seine Menschenwürde. Böhmermanns Anwalt Christian Schertz argumentierte dagegen, Böhmermann habe Erdoğan nur erklären wollen, „wie die Meinungsfreiheit in Deutschland geschützt wird“: dass hier nur „sehr krasse“ Aussagen wie im vorgetragenen Schmähgedicht verboten seien.

Das Gericht stufte Böhmermanns Gedicht nicht als (stets verbotene) Schmähkritik ein. Denn ihm gehe es durchaus um eine Auseinandersetzung in der Sache, nicht nur um die Beschimpfung Erdoğans.

Es sei aber nicht alles erlaubt, was keine Schmähkritik ist, betonte die Vorsitzende Richterin Simone Käfer. Vielmehr müsse dann zwischen der Meinungsfreiheit Böhmermanns und dem Persönlichkeitsrecht Erdoğans abgewogen werden.

Verboten sind nun also Zeilen wie: „Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner, selbst ein Schweinefurz riecht schöner.“ Oder: „Pervers, verlaust und zoophil, Recep Fritzl Priklopil.“ Damit werde Erdoğan auf eine Stufe mit zwei österreichischen Sexualstraftätern gestellt.

Man habe nicht übersehen, so die Richterin, dass Böhmermanns Anwürfe gegen Erdoğan teils so überzogen sind, dass jeder Bezug zur Wirklichkeit fehle. Erdoğan müsse die Beleidigungen aber auch dann nicht hinnehmen, „wenn sie ersichtlich nicht ernst gemeint sind“.

Es bleiben Zeilen erlaubt wie „Kurden treten, Christen hauen“, in denen es um Erdoğans Politik geht. Aber auch Böhmermanns einleitende Zusammenfassung wurde nicht untersagt: „Sackdoof, feige und verklemmt ist Erdoğan, der Präsident.“

Im Wesentlichen hat Böhmermann den Streit in erster Instanz aber verloren. Das Gericht erlegte ihm 80 Prozent von Erdoğans Abmahnkosten auf: 1.973 Euro. Schadenersatz hatte Erdoğan nicht verlangt. Sollte Böhmermann das Gedicht in ursprünglicher Form wiederholen, droht ihm ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro oder Ordnungshaft. Insoweit gilt noch die Verfügung aus dem Mai.

CHRISTIAN RATH