kurzkritik
: Junges Theater: reibungsfrei

Das Igittigitt-Wörtchen „Fick“ steht im Althochdeutschen ganz allgemein für Reibung. Im heutigen Deutsch steht es ganz speziell für Nacktkörper, die aneinander herum reiben und sich quetschen, bis aus dem einen mehr, aus dem anderen weniger Saft herausläuft. Die Trivialisierung des Sexuellen hat mit dem weitgehenden Fortfall von Scham, Intimität, Individualität und Passion zu tun, mit entsinnlichter Körperlichkeit.

Konsequent, dass Denis Fischers „Ficken vor der Kamera“ gleich das Porno-Genre als Chiffre für Einsamkeit nutzt. Um auf den anderen Aspekt der Reibung zu verweisen: Sie beruht auf Nähe und erzeugt Wärme. Was Angst macht. So erläutert das Pornodarstellerduo des Stücks: Man wolle niemanden mehr kennen lernen, weil man „mit sich nichts zu tun haben“, „sich schützen“ möchte. Im Hintergrund lauern altbekannte Beziehungsmurks-, Missbrauchsgeschichten. Aber Nomena Struß und Lajos Talamonti versuchen vergeblich, sich die Verlorenheit ihrer Figuren mit Fuchtelgestik und einer Verlegenheit simulierenden Sprechhaltung zu erspielen. Schon gar nicht gelingt die Verwandlung unstillbarer Sehnsucht in gelebte Nähe – durch reden, berühren, Alkohol trinken. Psychologisch unterbelichtet bleibt so das sprachlich dürftig zusammengeklaubte und lässig dahin gebastelte Stück, präsentiert in einer reibungsfreien Inszenierung: eisekalt. Jens Fischer