heute in hamburg
: „Thema weiterhin ein Tabu“

Aktionstag Rund 5.000 Mädchen sind allein in Deutschland von Genitalverstümmelung bedroht

Gwladys Awo

Foto: Plan International / Ulrike Schmidt

40, ist Sozialpädagogin und leitet das Projekt Change Plus. Sie engagiert sich im Integrationsbeirat der Stadt Hamburg.

taz: Frau Awo, warum ist heute so ein wichtiger Tag für Sie?

Gwladys Awo: Die meisten Menschen wissen gar nicht, dass in Deutschland über 30.000 Betroffene von Genitalverstümmelung leben und weiterhin viele Mädchen davon bedroht sind. Noch immer sterben viele an den Folgen der Praktik, Überlebende leiden ein Leben lang. Für uns ist dieser Tag eine große Chance, um auf unser Projekt „Change Plus – Mädchen aktiv schützen“ aufmerksam zu machen. Das EU-Projekt wird von der Stiftung Hilfe mit Plan gefördert und von Terres des Femmes koordiniert.

Was genau machen Sie in dem Projekt?

Wir gehen in die afrikanischen Gemeinden in Hamburg und bilden hochengagierte und gut vernetzte Männer und Frauen zu Multiplikatoren aus. Sie klären über Genitalverstümmelung auf, etwa über private Zusammenkünfte oder Internet-Radio. Der Dialog ist so wichtig, denn das Thema ist weiterhin ein Tabu. Auch arbeiten wir mit Imamen zusammen, die in ihren Gemeinden großen Einfluss haben.

Wie gefährdet sind junge Frauen hier in Deutschland?

5.000 Mädchen sollen hier von Genitalverstümmlung bedroht sein. Wir haben deshalb mit dem Runden Tisch der Stadt Hamburg einen Leitfaden entwickelt, der anhand konkreter Beispiele – wie Verdachtsfällen in der Schule oder beim Arztbesuch – erklärt, wie man Mädchen und junge Frauen schützen kann. Neben dem Umgang mit Gefährdungssituationen setzt unser Projekt viel früher an und sensibilisiert die Menschen, damit so ein Leitfaden in Zukunft nicht mehr nötig ist.

Wie wollen Sie weibliche Genitalverstümmlung abschaffen?

Seit 2013 ist diese Praktik in Deutschland gesetzlich verboten und wird mit einem Jahr Gefängnisstrafe geahndet. Das sind erste wichtige Schritte. Wenn man diese Menschenrechtsverletzung aber abschaffen will, muss man verstehen, dass die Situation sehr komplex ist. Es braucht viel mehr konkrete Arbeit in den Gemeinden selbst.

Was können wir hier in Hamburg tun?

Jeder kann mithelfen, dass die Betroffenen und ihre Angehörigen in die Gesellschaft integriert werden. Das ist der beste Schutz.

Interview: Frederike Lindemann

Heute ist der internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung. Mehr über das Projekt Change Plus gibt es auf der Seite plan-stiftungszentrum.de