Ein Hoch auf das Weiter so

Eintracht Aus Braunschweig bringt St. Paulis Trainer Ewald Lienen mehr Argumente als den 2:1-Sieg mit

Als Entscheider eines Fußballvereins sollte man auch in schönen Momenten wohl besser weghören und sich nicht beeinflussen lassen. „Auswärtssieg, Auswärtssieg“, sangen die Fans des FC St. Pauli voller Glück. Auf einmal war wieder alles richtig gut. Der überraschende 2:1-Auswärtssieg bei Tabellenführer Eintracht Braunschweig ließ wieder Hoffnung im Kampf um den Klassenerhalt aufkeimen. Und er stärkte Cheftrainer Ewald Lienen den Rücken, dessen Erfolgsbilanz in so manchen anderen Verein längst eine Beurlaubung wegen Erfolglosigkeit nach sich gezogen hätte.

Braunschweig und St. Pauli eint diese ewige Frage des Fußballs. Wie groß darf dieser Vorschuss an Vertrauen ausfallen, den jeder Fußballtrainer als Grundlage für gute Arbeit benötigt? Wie viel Geduld darf die Vereinsführung haben, wenn der Abstieg immer wahrscheinlich wird? Dass Lienen nach einer beängstigend schlechten Hinrunde immer noch St. Paulis Cheftrainer ist, mag wundersam erscheinen. Aber der besonnene Geschäftsführer Andreas Rettig vertritt die Auffassung, dass man mit seinem wichtigsten Personal nicht zu sprunghaft umgehen sollte.

Genau nach diesem Motto wird auch in Braunschweig verfahren. Torsten Lieberknecht ist schon seit 2008 Cheftrainer der Niedersachsen. Er spürt in der Zusammenarbeit jede Menge Vertrauen. „Das ermöglicht Kontinuität und gibt uns Kraft“, findet Lieberknecht. Der Mann hat allerdings auch gut reden. Er hat in den vergangenen Jahren stets deutlich mehr Erfolg als Misserfolg – und darf weiterhin darauf hoffen, in dieser Saison mit der Eintracht in die 1. Bundesliga zurückzukehren.

Dass es sich lohnt, miteinander geduldig umzugehen, belegte auch diese Partie des 19. Spieltages. Nicht der Tabellenführer aus Braunschweig, sondern das Schlusslicht aus Hamburg gab erst spielerisch und dann kämpferisch den Ton an. Mit dem in der Winterpause angeheuerten Leihspieler Mats Möller Dæhli vom SC Freiburg, bis zur seiner verletzungsbedingten Auswechslung sehr auffällig, hat St. Pauli einen richtig guten Fang gemacht. Mit zunehmender Spieldauer war den 22.775 Zuschauern in Braunschweig gar nicht mehr klar, wer bei diesem Kräftemessen eigentlich der Favorit sein sollte.

Kapitän Lasse Sobiech in der 7. Spielminute und Cenk Şahin (72.) brachten St. Pauli in Führung. Für Braunschweig reichte es nur zu einem Treffer durch Suleiman Abdullahi nach 97 Minuten, nach dem St. Pauli noch eine bange Minute erlebte.

Die Fans der beiden Klubs liegen nicht gerade auf einer Wellenlänge. Die Trainer dafür umso mehr. Lieberknecht und Lienen sind rund um die Partie freundschaftlich miteinander umgegangen. Wann immer sich die Gelegenheit bietet, stärkt einer dem anderen öffentlich den Rücken. „Bei vielen Vereinen der 1. und 2. Bundesliga werden die Trainer zu schnell ausgetauscht“, findet Lieberknecht. Er betrachtet das Beispiel von Lienen, dessen Arbeit nicht vorrangig durch Punkte und Tore bewertet wird, als den anderen, lobenswerten Weg. Christian Otto