LeserInnenbriefe
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Notsituationen nur lesenswert

betr.: „Der Zank-Zaun“, taz vom 30. 1. 17, „Rauchen ist nicht cool“, Leserinnenbrief, taz vom 2. 2. 17

Ich lese die taz seit mehr als 20 Jahren. Es gibt gerade auch in der letzten Zeit viele Themen, zu denen man in Leserbriefen Stellung nehmen kann, weil man entsetzt und betroffen ist. Da ist die unsägliche Situation der Flüchtlinge in den Camps in der Türkei und Griechenland, die Abgrenzung der EU gegen diese Menschen in Not, und in Deutschland u. a. die zunehmende Gentrifizierung in Städten wie Berlin, die viele Menschen in ihrer Existenz bedroht. Und und und …

Was mich erschreckt, ist die Tatsache, dass an der Reportage „Der Zank-Zaun”, in der über den Grenzzaun zwischen Kroatien und Slowenien und über die Situation der betroffenen Menschen berichtet wird, das Wichtigste die Erwähnung zu sein scheint, dass zwei der engagierten Helferinnen rauchen. Mir ist das nicht so ins Auge gesprungen, da ich mich mehr für den Inhalt des Berichts interessiert habe. Aber nun frage ich mich doch, wie es um die Wahrnehmung in unserer Gesellschaft bestellt ist, wenn Notsituationen von Menschen nur noch als lesenswert eingestuft werden, die Erwähnung von zwei rauchenden Frauen aber zum Schreiben eines Leserbriefs veranlasst. Liebe taz, hoffentlich lasst ihr euch nicht schrecken und verbannt jetzt nicht auch die offensichtlich jugendgefährdenden „Ralph“-Touchés aus eurer taz. JUTTA SONNENBURG, Rietberg

Ein langer Weg

betr.: „Ablass“, taz vom 3. 2. 17

Hannes Koch verbreitet mit seiner leidlich wohlwollenden (Selbst-)Kritik leider den gleichen Unsinn, wie er auch gern vonseiten der Böll-Stiftung propagiert wird. In Wirklichkeit ist lange klar, dass der mündige Verbraucher über seine Konsumentscheidung nicht die nachhaltige Nutzung bewirken kann. Auch Ökoprodukte kosten zwar mehr, müssen aber zur Kostendeckung trotzdem auch in ihrer Erzeugung erheblich mehr staatlich unterstützt werden als konventionelle. Diese staatliche Förderung allein kann aber in Sachen Natur- und Umweltschutz noch weniger als im Ökolandbau eine Besserung bewirken.

Daher ist in einer liberalen Marktwirtschaft die Schaffung eines Marktes für ökologische Leistungen so überaus wichtig. Durch konkrete Leistungen und Produkte in diesem Bereich wird deren Wert besser erkannt und greifbarer für Konsumenten und Unternehmen. Es entstehen ein Markt und eine Nachfrage, die helfen, die zur Erzeugung der ökologischen Leistungen nötigen Gelder bereitzustellen. Das hat eben überhaupt nichts mit Ablasshandel zu tun. Wenn das aber selbst die eigentlichen „Befürworter“, wie Hannes Koch, nicht begreifen, dann wäre es noch ein langer Weg auf schmalem Grat, der uns bevorsteht.

MICHAEL RÜHS, Greifswald

Schwer vorstellbarer Sieg

betr.: „Bei Nelles und Bülles“, taz vom 3. 2. 17

Der Kandidat war Linksverteidiger – und das als Rechtsfuß! Eindeutiger Beweis: Foto auf Seite 19.

Wenn das nicht für Flexibilität und Richtungsoffenheit steht! Und wer würde es ihm verdenken? Der Mann kommt sympathisch und „authentisch“ rüber, doch der Hype um seine Person wird verebben, und die Konzentration auf die „hart arbeitenden Menschen“ im Lande ist auch nicht wahnsinnig originell. Nur bei überzeugenden Siegen bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und später in NRW könnten Schulz mitsamt der SPD weiter auf der Euphoriewelle surfen. Doch selbst wenn konkrete Konzepte vorliegen, ist ein Siegeszug von Rot-Rot-Grün bis zur Bundestagswahl, der Voraussetzung wäre für eine Kanzlerschaft von Martin Schulz, schwer vorstellbar.

Im Augenblick steht R2G – laut Politbarometer – bei 44 Prozent, wobei der Zuwachs der SPD auch zu Lasten der potenziellen Partner gegangen ist, sodass sich ein Nullsummenspiel im linken Lager ergeben dürfte, in jedem Fall ein Ergebnis unterhalb der absoluten Mehrheit realistisch erscheint.

In einem sich abzeichnenden Sechs-Fraktionen-Parlament sinken die Aussichten für Zweierbündnisse jenseits der Wiederauflage der Großen Koalition. Die bis vor Kurzem noch sichere Option Schwarz-Grün ist geschwunden, und ob sich die Union auf das Abenteuer Jamaika-Koalition einlassen würde, muss bezweifelt werden.

Ich fürchte, wir werden uns im Herbst an den neuen Außenminister Martin Schulz gewöhnen müssen. Sorry, Siggi!

HELMUT MAURER, Heidelberg

Großhäfen plus Bahnanbindung

betr.: „Tiefer, immer tiefer. Warum?“, taz vom 4. 2. 17

Ein lesenswerter Artikel in der taz.am wochenende, weil sehr sachlich, wie ich finde. Allein mir fehlt der Gesichtspunkt: ­„Warum rollen die Container anschließend per Umwelt verschmutzende Lkw durch die Welt?“

Mein Vorschlag an die Europäische Union: „Vom Fußball lernen für den Umweltschutz.“ Wenn ich mir eine Karte für das nächste Heimspiel des MSV Duisburg kaufe, dann ist meine Fahrt per öffentlichen Nahverkehr zum Wedaustadion inbegriffen.

Ich wünsche mir als Umweltschutzprojekt für Europa also den Ausbau der Bahnanbindungen der Großhäfen, der es dann ermöglicht, in den Preis für die Löschung eines Containers zwingend die Bahnreise für denselben zum nächsten Verteilzentrum einzubeziehen.

Geht nicht? Nicht durchsetzbar? Schon mal einen ernsthaften Versuch unternommen? HANS-JÜRGEN SITTEK, Moers