: KUNST
KunstBeate Scheder schaut sich in Berlins Galerien um
Der Ballettanzug so rosa wie die Wände des Studios, die blonden Haare zum adretten Pferdeschwanz geflochten, auf den Lippen ein strahlendes Lächeln – Marianna ist fast so süß wie eine Disney-Elfe. Im Video „Marianna (Fairy Doll)“ (2014), zu sehen bei Max Hetzler, zeigt Rineke Dijkstra die Zehnjährige beim Training für die Aufnahmeprüfung der Waganowa Ballettakademie in St. Petersburg. Kerzengerade führt sie ihre Übungen vor, immer wieder unterbrochen von den scharfen Anweisungen ihrer Lehrerin. Marianna, ganz Profi, schluckt Trotz und Frustration herunter und zieht ihr Programm durch. Nur in winzigen Momenten scheint er durch, ihr kindlicher Widerspruchsgeist. Nicht mehr Kind, aber auch noch nicht erwachsen, ist auch Lucy, die mittlere der drei Schwestern, die Dijkstra zwischen 2008 und 2014 fotografierte, in der ihr eigenen vermeerhaften Art. Die Aufnahmen sind der zweite Schwerpunkt der Schau. Fast automatisch sucht man nach schwesterlichen Ähnlichkeiten und findet vor allem Unterschiede (bis 4. 3., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Goethestr. 2/3).
Auch noch nicht so ganz gefunden hat sich Sanna, die junge Frau, die im jüngsten Sci-Fi-Film von Loretta Fahrenholz im Mittelpunkt steht. Zwei Tage lang begleitet „Two A.M.“ diese, wie sie aus den Fängen ihrer telepathisch begabten Pflegefamilie ausbricht, in der belanglosen Welt urbaner Plattenbau-Hipster jedoch auch keine Erlösung findet, keine menschliche Nähe, nur Egozentrik und Exzess, Rausch und hedonistische Weltflucht. „Two A.M.“, zentrale Arbeit in Fahrenholz’Ausstellung in der Galerie Buchholz, ist Irmgard Keuns Exilroman „Nach Mitternacht“ nachempfunden. Bei Keun fliehen Sanna und ihr Freund Franz vor den Nazis, bei Fahrenholz vor Willkür und sozialer Kontrolle, vor der schwelenden Gefahr eines neuen Faschismus‘ (bis 25. 2., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Fasanenstr. 30).
Andere, frischere Winde ziehen bei Dittrich & Schlechtriem auf, und das wortwörtlich. Meatus, lateinisch für Pfad, heißt die Installation von Das Numen, die dort zu sehen ist, vor allem aber zu hören. Das Kollektiv, bestehend aus den Künstlern Julian Charrière, Andreas Greiner, Markus Hoffmann und Felix Kiessling, hat sechs Orgelpfeifen waagerecht in den Raum gehängt, die Winde aus 20 Wetterstationen ertönen lassen. Eine Software rechnet die Daten, die an den Stationen zeitgleich gesammelt werden – Windrichtungen und -geschwindigkeiten –, in Impulse um, die wiederum auf die Ventile einwirken und den Klang erzeugen. Eine Willkommensmelodie sozusagen: Die Ausstellung ist die erste in den neuen Räumen der Galerie (bis 11. 3., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Linienstr. 23).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen