LeserInnenbriefe
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Vor der Wahl, nach der Wahl

betr.: „Du, ich bin der Martin“, Kommentar von Gereon Asmuth zu Martin Schulz, taz vom 30. 1. 17

Ich verstehe den Rummel um den Kanzlerkandidaten der SPD nicht. Meine persönliche Biografie und sozialdemokratische Sozialisation weisen viele Ähnlichkeiten auf. Nach dem Erwachen aus dem idealistischen Traum in der real existierenden SPD habe ich die SPD allerdings schon lange verlassen und wähle nicht mehr.

Martin Schulz prangert – vielleicht tatsächlich aus Überzeugung – die sozialen Ungerechtigkeiten an, die von den Asozialdemokraten mit verbrochen oder von ihnen selbst erfunden wurden. Vor jeder Wahl wird mit „sozialer Gerechtigkeit“ geworben. Nach der Wahl werden ihm die Pöstchenschieber und Seeheimer Verräter schon zeigen, wo es nicht links langgeht, und die Taten sprechen eine andere Sprache. Ich kann gut verstehen, dass der Vertrauensvorschuss vieler Wähler aufgebraucht ist. Meiner ist es schon lange. GERHARD OTT, Flensburg

Brauchen wir Soldaten?

betr.: „Misshandlungen, Mobbing, sexuelle Übergriffe. Gewaltexzesse in der Kaserne“, taz vom 30. 1. 17

Wieder einmal: sadistische Gewaltexzesse in einer Bundeswehrkaserne! Sind das Ausnahmen, oder zeigt sich hierbei eine zwangsläufige Tendenz? Wenn Menschen zu Soldaten gemacht werden, dann verändern sie sich – sie verändern sich negativ. Sie werden gefühllos, sie werden gewaltbereit gemacht. Und wenn Menschen systematisch zur Anwendung von Gewalt erzogen werden, muss man sich nicht wundern, wenn es dabei zu Gewaltexzessen kommt. Man muss fragen: Brauchen wir solche Soldaten? Brauchen wir überhaupt Soldaten?

Wäre es nicht viel besser, wenn sich die Bundesrepublik Deutschland konsequent friedlich und pazifistisch orientieren würde? Also nur so viele Soldaten, wie zur eigenen Landesverteidigung unbedingt notwendig sind. Wie es die Schweiz macht. Das würde bedeuten, keine Auslandseinsätze der Bundeswehr, keine Rüstungsexporte. Die hierfür verausgabten Milliardenbeträge könnten anderswo viel nutzbringender eingesetzt werden!

DIETER LEHMANN, Falkenberg/Elster

Verwandlung

betr.: „US-Einreiseverbot. Trumps Dekret löst Chaos aus“,taz vom 31. 1. 17

Es ist eigentlich unvorstellbar, wie ein Staat wie die USA, der immer ein Vorbild für alle westlichen Demokratien war, sich so schnell in ein autokratisches System verwandeln kann. Der neue Präsident, Donald Trump, regiert nicht nur unüberlegt und machtbesessen, sondern er ist zudem auch noch ein selbstherrlicher und beratungsresistenter Herrscher, den man in einem Atemzug mit Putin und Erdoğan vergleichen kann! Jetzt müsste doch auch jedem Bürger hierzulande klar werden, wohin uns solche Despoten wie Trump führen können und mit welchen demokratiegefährdenden Konsequenzen jeder Einzelne von uns rechnen muss, wenn er auf diese abenteuerlichen Thesen und Versprechungen hereinfällt!

Deshalb soll Herr Trump ruhig noch ein paar Dekrete unterschreiben; umso schneller wird er aus dem Präsidentenamt gefegt, und wir hier in Europa können daraus unsere Lehren ziehen und fallen nicht mehr auf rechtspopulistische Rattenfänger herein! THOMAS HENSCHKE, Berlin

Kurzer, harter Fausthieb

betr.: „Trauma. Mein Heimweg“, taz vom 28. 1. 19

Belästigung ist in arabischen Ländern gesellschaftlich keineswegs mehr akzeptiert als hier, aber vieles ist tabu, die soziale Kontrolle hoch, das Patriarchat fest verankert, und die Frus­trationen sind stark, von daher scheint es mir dort schlimmer zu sein. Ich habe acht Jahre in Kairo gelebt und schreibe deswegen hier jetzt über Ägypten.

Auch Ägypterinnen werden ständig belästigt, egal ob sie ein Kopftuch tragen oder nicht – es ist ein bekanntes Phänomen. Auf jeden Fall ist es empfehlenswert, Arabisch zu lernen, wenn man vorhat, sich immer wieder dort aufzuhalten, denn ein Belästiger fühlt sich viel sicherer, wenn es eine Sprachbarriere gibt. Man kann dann anfangen laut zu schimpfen, was den meisten peinlich ist, und Umstehende mischen sich normalerweise ein – im Gegensatz zu hier.

Ich finde, frau sollte dem ersten Wutimpuls folgen, egal wo. Ich habe viele der in diesem Artikel beschriebenen Erlebnisse selbst in ähnlicher Form gehabt, sie aber nie verdrängt und mit der Zeit die Erfahrung gemacht, dass sofort wütend zu reagieren viel besser ist, als zu versteinern. Das Risiko einer Eskalation ist nämlich so oder so vorhanden, denn ein Belästiger fühlt sich, wenn er keine Gegenwehr (verbal oder anders) bekommt, eventuell ermutigt, immer weiterzumachen.

Ich habe einmal in einer vollen Bahn in Kairo einem Mann, der sich neben mir positionierte und mir seine Hand zwischen die Beine schieben wollte, mit einem kurzen, harten Fausthieb auf den Unterarm geschlagen, als er schon ganz nah dran war. Der war schneller weg, als ich zu hoffen gewagt hatte. Eine Freundin, mit der ich und vier weitere Freundinnen zusammen als Jugendliche am helllichten Tag vor einem Typen in der Stuttgarter Innenstadt ängstlich davonrannten und in einem Büro Zuflucht suchten, ist Jahre später einmal auf einen Wichser in einem Zug losgerannt, als sie merkte, dass er sich einen runterholt. Er ergriff die Flucht und sie versetzte ihm in der Tür noch einen Tritt in den A..., weil sie so wütend war. MANUELA KUNKEL, Stuttgart