Die Oma darf nicht ins Regal

STERBENDer schleswig-holsteinische Landtag lehnt den Vorschlag der Piraten für eine Reform des Bestattungsgesetzes ab. Urnen sollten zwei Jahre lang zu Hause aufbewahrt werden, Asche aber auch verstreut werden können. Kritiker sahen Würde des Menschen in Gefahr

Dürfen nur auf den Friedhof gebracht werden: Urnen mit der Asche Verstorbener Foto: Friso Gentsch/dpa

von Gernot Knödler

Darf Omas Urne auf den Kaminsims, soll Opas Asche im Garten verstreut werden dürfen? Über diese Fragen hat am Mittwoch der schleswig-holsteinische Landtag abschließend debattiert. Eine Reform des Bestattungsgesetzes, die von den Piraten vorgeschlagen worden war, wurde mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Dem Gesamtentwurf stimmten nur ein paar Piraten und einzelne Grüne zu.

Die CDU und die Kirchen hatten sich früh gegen die Novelle gestellt. „Friedhöfe sind das kulturelle Gedächtnis einer Gesellschaft“, sagte der Erzbischof von Hamburg, Stefan Heße, vor der Sitzung. Ohne sie fehle ein Ort, an dem man seine Trauer zum Ausdruck bringen könne. Überdies gelte es durch eine angemessene Grabstätte die Würde des Menschen zu schützen – „auch über den Tod hinaus“, hieß es.

Wie Uli König von der Piratenfraktion schon bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs vor knapp einem Jahr einräumte, hat Schleswig-Holstein zwar schon „eines der freiheitlichsten“ Bestattungsgesetze der Republik. Es lässt die Beisetzung von Urnen in Friedwäldern, Seebestattungen und Bestattungen ohne Sarg zu, was etwa Muslimen entgegen kommt. „Aber es ist ja nicht so, dass man an etwas Gutem nicht noch etwas verbessern könnte“, sagte König.

Die Piraten verwiesen auf entsprechende Bitten aus der Bevölkerung. Bei Umfrage des Instituts TNS Infratest befürworteten 75 Prozent der Befragten den Vorstoß der Piraten. Schon heute brächten manche Angehörige die Asche Verstorbener nach Hause, nachdem sie diese im Ausland verbrennen ließen. Das hätte das neue Gesetz überflüssig gemacht.

Dieses sah vor, dass Gestorbene binnen 24 Stunden bestatten werden können – vorausgesetzt, die Leiche ist qualifiziert beschaut worden. Das wäre den religiösen Vorschriften der Muslime und Juden entgegen gekommen.

Urnen sollten zwei Jahre lang zu Hause aufbewahrt werden können. Die Piraten konnten sich sogar vorstellen, ganz auf eine Frist zu verzichten, schwächten den Entwurf aber in der Hoffnung auf eine Parlamentsmehrheit ab.

Den Initiatoren eines entsprechenden Gesetzgebungsverfahrens in Bremen war genau das auf die Füße gefallen. Ein Gutachter erklärte die Zweijahresfrist für „unverhältnismäßig, willkürlich und verfassungswidrig“: Entweder die Mitnahme werde unbefristet erlaubt – oder gar nicht, hieß es darin. Eine komplette Freigabe war mit der SPD jedoch nicht zu machen. König ficht das nicht an. „Wo kein Kläger, da kein Richter“, sagt er.

Eine Urnenbestattung lassen sich 70 Prozent der Schleswig-HolsteinerInnen verbrennen; in Kiel sind es sogar 80 Prozent.

Drei Viertel der Schleswig-HolsteinerInnen begrüßen laut einer Umfrage die von den Piraten angestoßene Liberalisierung.

Positiv zu dem Gesetzentwurf äußerten sich die Verbraucherzentrale, die Verbraucherinitiative Aeternitas, die Islamische Religionsgemeinschaft und der Verband Unabhängiger Bestatter.

Kritik kam von den Kommunen, den Kirchen sowie den Verbänden der Bestatter, Steinmetze und Friedhofsgärtner.

Bremen hat Anfang 2015 die Möglichkeit eingeführt, die Asche Verstorbener zu verstreuen.

Im ersten Jahr nutzten 50 Angehörige diese Möglichkeit. Insgesamt gab es rund 6.000 Feuerbestattungen in Bremen.

Die CDU lehnt die Aufbewahrung zu Hause grundsätzlich ab. „Ich brauche die Gewissheit, dass man mit den sterblichen Überresten pietät- und würdevoll umgeht“, sagte die Abgeordnete Petra Nicolaisen bei der ersten Lesung. Wer garantiere denn, dass die Urne nach zwei Jahren tatsächlich bestattet werde? Wie werde in einer zerstrittenen Verwandtschaft sichergestellt, dass alle Trauernden Zugang zur Urne hätten?

Der Gesetzentwurf sah auch vor, dass die Asche eines Verstorbenen mit dessen schriftlicher Einwilligung auf einem hierzu zugelassenen Friedhof oder Privatgelände verstreut werden kann. „Ist das etwas, was dem Frieden zwischen Nachbarn wirklich dienlich ist“, fragte Sozialministerin Kristin Ahlheit (SPD). Schließlich könnte die Asche ja auch verweht werden.

Der evangelische Bischof Gothard Magaard warnte, dass durch die Liberalisierung der Tod privatisiert werde. „Trauer ist zweifellos etwas höchst Persönliches“, sagte Magaard. „Der Tod selbst aber ist immer auch eine öffentliche Angelegenheit, die das Gemeinwesen betrifft.“ Deshalb müsse der Tod mit einer entsprechenden Bestattungskultur gepflegt werden.

Dieses Argument verfange nicht, sagt der Pirat König. Denn schon heute seien anonyme Bestattungen und solche auf See möglich. Zudem würden Friedhöfe immer weniger für die Trauerarbeit genutzt. Entscheidend sei das Selbstbestimmungsrecht – über den Tod hinaus.