Wochenschnack
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die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Straße 23 | 10969 Berlin | briefe@taz.de | www.taz.de/zeitung

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Gabriel geht, Schulz kommt

Der Wechsel Nach dem Aufatmen in der SPD kommen die Fragen. Wird der neue Spitzenkandidat den Niedergang der Partei aufhalten, sie gar stärken?

Siegeszeichen nach den Europaparlamentswahlen im Jahr 2014 Foto: reuters

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Das S in SPD

betr.: „Ein starker Abgang“, taz vom 25. 1. 17

Man wird sehen, ob es ein kluger Schachzug gewesen ist oder ob es nur um Postenverteilung ging!

Aber ändert sich dabei was an dem politischen Stil der SPD? Fakt ist, dass die SPD sich zurückerinnern sollte, wofür das S in ihrem Namen steht, und dass sie nicht weiter auf Kuschelkurs mit den Unionsparteien geht! Einen echten politischen Wechsel kann es nur mit der SPD, der Linken und den Grünen geben. Doch dazu müssten die SPD und die Grünen sich auch in der Sozial- und Arbeitspolitik sowie der Außenpolitik bewegen, sonst wird es keinen Wechsel geben und bleibt alles beim Alten, egal wer der Kanzlerkandidat der SPD ist!

RENÉ OSSELMANN, Magdeburg

Klare Kante

betr.: „Ein starker Abgang“, taz vom 25. 1. 17

Sicher ein bemerkenswerter und guter Schritt von Sigmar Gabriel, für Martin Schulz den Weg frei zu machen. Dennoch fragt man sich, warum er jetzt für ein gutes halbes Jahr noch Außenminister „spielen“ möchte. Martin Schulz hat bestimmt zeitintensive Aufgaben als Vorsitzender und Kanzlerkandidat vor sich und sollte vielleicht gerade auch bis zur nächsten Wahl kein Part der Großen Koalition sein.

Trotzdem wäre er als Außenminister prädestiniert gewesen und hätte sich stark gegenüber der Kanzlerin profilieren können mit seiner klaren Kante gegen Populisten, seinen multilingualen Qualitäten und dem guten Draht nach Brüssel und Straßburg. MARKUS MEISTER, Kassel

Herausforderer

betr.: „Ein starker Abgang“, taz vom 25. 1. 17

Respekt, Sigmar Gabriel. Für einen Vollblutpolitiker, der er ganz zweifellos ist, dürfte die „Verzichtsentscheidung“ trotz aller nachvollziehbaren Gründe eine überaus schwere gewesen sein.

Obgleich der (allzu?) späte Zeitpunkt seiner grundlegenden Bekanntmachung gegenüber den eigenen Genossen bestenfalls als suboptimal bezeichnet werden kann, beweist Gabriel gerade mit seinem Schritt zurück den Willen zum Fortkommen seiner Partei. Eine Einsicht, durchaus eine politische Größe, die dem Noch-SPD-Vorsitzenden sicher nicht alle zugetraut haben und über die genauso sicher nicht alle Politiker, insbesondere auf höherer Ebene, verfügen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel indes, bekanntermaßen unionsintern weiterhin alternativlos, hat nunmehr einen Herausforderer, der diese Bezeichnung, zumindest demoskopisch betrachtet, eher verdient, innenpolitisch freilich allemal noch verdienen muss. Kurzum, Gabriels „einsame Entscheidung“ halte ich für die SPD, aber ebenso für die gesamtpolitische Landschaft in Deutschland für richtig und gescheit, in keinerlei Sinne jedoch für gescheitert.

IRA BARTSCH, Lichtenau-Herbram

Machtübernahme

betr.: „Verspannte Genossen“, taz vom 26. 1. 17

Eine Frage, die mir bei allen Kommentaren unserer Medien zur „Machtübernahme“ von Martin Schulz innerhalb der SPD völlig fehlt, ist die völlig pragmatische Frage, bei welcher Wählerklientel die Option Martin Schulz denn primär den notwendigen Stimmenzuwachs erreichen will und ob die SPD-Führung mit dieser personellen Option nicht eher den Status des kleineren Koalitionspartners zementiert beziehungsweise diesen akzeptiert hat.

Bei Euroskeptikern aus dem Nichtwählerlager und den derzeitigen Sympathisanten der AfD wird ein Kanzlerkandidat Martin Schulz vermutlich genauso chancenlos sein wie bei den EU-Befürwortern, welche die EU aber nie als Junckers-Schulz-Mauschelrunde haben wollten.

Auch wenn der eine oder andere traditionelle Unionswähler Martin Schulz möglicherweise sympathisch findet, so wechselt der traditionelle Wähler der beiden sogenannten Volksparteien nur sehr selten das politische Lager, das heißt, er wechselt im Zweifelsfall eher zu einer anderen Partei des eigenen Lagers oder befristet gleich ins Nichtwählerlager. Dass die SPD im Herbst 2017 mehr Stimmen als die Union bekommt, ist sehr unwahrscheinlich. Holt Martin Schulz Stimmen bei grünen, linken oder FDP-Wählern, dann bringt das die SPD in Sachen Machtoption keinen Zentimeter weiter, weil eine zur Großen Koalition alternative Option damit keinen Stimmenzuwachs hätte.

Martin Schulz wurde bisher von der überregionalen Presse mit Kritik eher verschont, ohne dass die Mehrheit der Wähler wirklich wusste, wofür Martin Schulz eigentlich politisch steht. Der letzte Politiker, welcher von fast allen Medien über einen längeren Zeitraum derart öffentlich gebauchpinselt wurde, war Horst Köhler, der dann allerdings gleich wie ein trotziges Kind zurücktrat, als er das erste Mal scharfer Kritik ausgesetzt war. Es bleibt abzuwarten, wie Martin Schulz mit einer öffentlichen „Entheiligung“ umgehen würde.

EWALD BECK, Bad Homburg

Schon gescheitert

betr.: „Verspannte Genossen“, taz vom 26. 1. 17

Sigmar Gabriel kann man wirklich nur gratulieren. Er weiß natürlich, dass die SPD – egal mit welchem Spitzenkandidaten auch immer – bei der kommenden Bundestagswahl nicht die geringste Chance hat, ins Kanzleramt einzuziehen.

So hat er sich rechtzeitig sowohl als möglicher Kanzlerkandidat als auch als Parteivorsitzender abgeseilt und sich dafür den Außenministerposten gesichert, auch über die Bundestagswahl hinaus. Die nächste große Koalition über 2017 hinaus ist jetzt faktisch besiegelt worden.

Allerdings kann ich nicht ganz verstehen, warum sich Martin Schulz die Kanzlerkandidatur und den Parteivorsitz hat aufschwatzen lassen. Er ist ja quasi jetzt schon ein gescheiterter Mann. Die SPD wird vermutlich ihr schwächstes Bundestagswahlergebnis aller Zeiten einfahren. Die SPD sollte sich also schon mal Gedanken machen, wer ab Ende 2017 der neue starke Mann oder die neue starke Frau nach Schulz sein wird.

Solange man im Willy-Brandt-Haus nicht einsieht, dass der Abstieg der SPD mit den Reformen der Agenda 2010 begann und dies der wesentliche Grund für die desolate gegenwärtige Gesamtsituation der Partei ist; solange von sozialer Gerechtigkeit nur schwadroniert wird, anstatt diese in reale Politik umzusetzen, beispielsweise durch Abschaffung oder Abänderung der durch die Agenda-2010-Reformen eingeleiteten Maßnahmen; solange die zunehmende soziale Ungerechtigkeit und die ökonomische Spaltung in Deutschland demons­trativ ignoriert wird, so lange wird dann eben auch der Abstieg der SPD weitergehen.

Die nun in Kürze zu erwartenden, dem aktuellen Medienhype geschuldeten, steigenden Umfrageergebnisse für die SPD bei der Sonntagsfrage sowie für den Kanzlerkandidaten Martin Schulz werden sich schon bald wieder erledigt haben und sich letztendlich als Strohfeuer entpuppen.

Es wäre schon sensationell, sollte die SPD im Herbst die 25-Prozent-Marke überschreiten. Ich persönlich gehe eher davon aus, dass es am Ende nicht einmal mehr 20 Prozent sein werden. Vielleicht gelingt es der SPD immerhin noch, knapp vor der AfD zu landen. TIMO GÖRRES